Gesetz wird geändert
"Behindertes Kind kein Schaden"
Nach geltendem Recht kann die Geburt behinderter Kinder Schadenersatzansprüche auslösen, auch wenn das Verhalten des behandelnden Arztes am Herbeiführen der Beeinträchtigung nicht schuld ist. Das wird nun geändert. Ab 1. Juni 2011 tritt ein neues Gesetz in Kraft.
23. November 2023, 15:32
Mittagsjournal, 17.11.2010
Unerkannte Behinderung im Mutterleib
"Die Geburt eines Kindes kann niemals ein Schadensfall sein." Mit diesem zentralen Argument will das Justizministerium Schadenersatzansprüche nach der Geburt behinderter Kinder einschränken. Ärzte sollen künftig nicht mehr dafür haften, wenn die Behinderung eines Kindes im Mutterleib unerkannt bleibt und das Kind zur Welt kommt.
Schadenersatzklagen von Eltern
Auslöser für die geplante Gesetzesänderung waren Schadenersatzklagen von Eltern. Sie haben unter anderem argumentiert, sie hätten sich für eine Abtreibung entschieden, wenn sie gewusst hätten, dass ihr Kind behindert sein wird. Zumindest sieben Urteile des obersten Gerichtshofs gab es in derartigen Fällen laut Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Ärzte bzw. Spitalsbetreiber mussten hohe Schadenersatzsummen zahlen. Das, so die Ministerin, soll es künftig nicht mehr geben.
Nur mehr bei Ärztefehler
Nur wenn ein Embryo durch einen ärztlichen Fehler verletzt wird oder eine Linderung einer Behinderung verabsäumt wird, wäre künftig Schadenersatz möglich, nicht aber in den zuletzt umstrittenen Fällen. Da hätten Ärzte es unterlassen, eine pränatale Untersuchung zu empfehlen. Woraufhin die Eltern dann einen erhöhten Aufwand für das Kind eingeklagt hätten, erläutert Bandion-Ortner.
Kritik an "pränataler Rasterfahndung"
Die OGH-Rechtssprechung habe zu einer zumindest indirekten Diskriminierung von Menschen mit Behinderung geführt, sagt ÖVP-Behindertensprecher Franz-Josef Huainigg. Und auch die Ärzte seien unter Druck gestanden, weil jede Geburt eines behinderten Kindes eine mögliche Schadenersatzklage nach sich gezogen hatte. Es kämen auch kaum mehr Kinder mit Down-Syndrom zur Welt, weil die "pränatale Rasterfahndung", wie sich Huainigg ausdrückt, stark zugenommen habe. Dabei, so Huainigg, könnten gerade Pränataldiagnostik bzw. Fruchtwasseruntersuchung ein Risiko für eine Schwangerschaft darstellen.
Mehr Unterstützung
Basis für den am Donnerstag präsentierten Entwurf für eine Gesetzesänderung ist übrigens ein Punkt im Regierungsübereinkommen von SPÖ und ÖVP. Positive Reaktionen kommen unter anderem von Kardinal Christoph Schönborn, Ärztekammer, Aktion Leben und Lebenshilfe. Sie plädiert nun im Gegenzug wie der ÖVP-Behindertensprecher Huainigg für einen Ausbau von Sozialleistungen. Huainigg wünscht sich für Familien mit behinderten Kindern höheres Pflegegeld, Unterstützung durch Familienhelfer und einen Unterstützungsfonds in den Bund, Länder und Ärzte einzahlen sollten.