Inselschriftsteller - ein Traum?

Schreiben auf den Kanaren

Inseln evozieren sehr zwiespältige Gefühle. Den Einen sind sie Sehnsuchtsorte, paradiesische Zuflucht, Versprechen von Ruhe und Abgeschiedenheit. Den Anderen jagt schon das Wort "Insel" Beklemmungen und Fluchtgedanken ein.

Geschichte durch Geschichten

Eines sei vorausgeschickt: Die Autoren, die ihre kanarische Heimat verließen, gingen nicht gerne. Und sie kamen wieder, sobald es möglich war. Mit einer Ausnahme: Benito Pérez Galdós, der 1843 auf Gran Canaria geborene große Meister des spanischen Realismus, verließ die Insel, weil es keine Möglichkeit zu studieren gab. Die "Universidad de San Fernando" auf Teneriffa, die als Uni seit 1817 existierte, wurde 1845 geschlossen, weil Madrid nur mehr Geld für zehn spanische Universitäten ausgeben wollte.

Pérez-Galdós ging nach Madrid - und blieb dort. Er sollte oder wollte die Rechte studieren, widmete sich aber lieber dem Leben, den Frauen und dem Flanieren. Als 1868 Königin Isabella II. in der gloriosen Revolution abgesetzt wurde und die demokratischen Kräfte stärker und selbstbewusster wurden, entschied sich Pérez-Galdós, Journalist zu werden. Wenig später begann er mit der Arbeit an den "Episodios Nacionales", ein monumentales Werk, das den Menschen Geschichte durch Geschichten nahebringen sollte. 46 der geplanten 50 Bände konnte er unter unglaublichem Druck schreiben, alle drei Monate musste er eine Episode abliefern. Dieses Werk begründete seinen Ruhm.

Ort der Verbannung

Zu früh, um sich an seine Heimat zu erinnern, musste Alberto Vazques-Figueroa seine Heimat verlassen. Er war gerade ein knappes Jahr alt, als sein Vater 1936 aus politischen Gründen samt seiner kleinen Familie deportiert wurde. Der kleine Alberto wuchs in der marokkanischen Wüste auf, die ihm auch den Stoff für seinen ersten großen Erfolg lieferte: Tuareg. Nach einem abenteuerlichen Leben als Journalist und Kriegsreporter kehrte er auf die Kanaren zurück. Er lebt auf Lanzarote.

Nach Fuerteventura wurde der Philosoph und Schriftsteller Miguel de Unamuno verbannt, weil er unausgesetzt gegen die herrschenden Verhältnisse auftrat, sich für einen liberalen Sozialismus einsetzte, und sich vor dem Ersten Weltkrieg als Rektor der Universität von Salamanca für die demokratische Erziehung der Landbevölkerung stark machte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wetterte er gegen Militarismus und falsch verstandene Vaterlandsliebe, wurde wegen Majestätsbeleidigung zu 16 Jahren Kerker verurteilt, wurde aber begnadigt. Das war 1920. Das Militär, das sich im September 1923 an die Macht putschte, war nicht so nachsichtig. Nachdem er mehrfach gegen die Militärzensur verstoßen hatte, wurde er seines Postens enthoben und auf die Kanaren gebracht, die er bis dahin nur von seinen Ferien kannte. Nach vier Monaten gelang Unamuno die Flucht.

Exil auf Lanzarote

José Saramago, der Literaturnobelpreisträger des Jahres 1998, lebte auf Lanzarote. Er bezeichnete diese Tatsache als sein Exil, denn er verließ seine Heimat Portugal im Zorn und unter Protest. Der Anlass: die Auseinandersetzung rund um seinen Roman "Das Evangelium nach Jesus Christus", die mit Beschuldigungen, Saramago würde die religiösen Gefühle der katholischen Portugiesen verletzen, begannen und in der Streichung Saramagos von der Kandidatenliste für den Europäischen Literaturpreis gipfelten. Er behielt zwar eine Wohnung in Lissabon, zahlte dort auch Steuern, aber nur, damit man ihm nichts vorwerfen könne.

Carmen Laforet kam nicht freiwillig auf die Kanaren: Ihr Vater wurde als Architekt nach Las Palmas auf Gran Canaria berufen, als Carmen zwei Jahre alt war. Dass ihre Mutter starb und ihr Vater eine neue Frau nahm, traf sie und ihre Geschwister schwer - und hinterließ unüberlesbare Spuren im Werk der gefeierten Autorin, vor allem in ihrem Roman "Die Insel und die Dämonen". Laforet verließ die Kanaren, sobald es ihr möglich war, studierte in Barcelona und machte Madrid zu ihrem Lebensmittelpunkt.

Aussteiger und Einheimische

Große Anziehung üben die Kanaren vor allem auf deutsche Schriftsteller aus. Der Fischerort Tazacorte und die unheimliche "Schlucht der Todesängste", der "Barranco de Las Angustias" auf La Palma, wurden für den Stuttgarter Arzt Udo Rabsch perfekter Hintergrund seines Endzeitromans "Tazacorte".

Die unvermeidlichen Missverständnisse zwischen Aussteigern und Einheimischen gaben dem Ex-Abenteuer Harald Körke, der sich ebenfalls auf La Palma niederließ, Anlass zu witzigen, pointierten, längeren und kürzeren Geschichten. James Krüss, der Helgoländer Kinderbuchautor, verbrachte seine letzten Jahre auf Gran Canaria, und Teneriffa wurde zur neuen Heimat des Tigerenten-Erfinders Janosch.

Und dabei wurde noch kein Wort über die einheimischen Autoren geschrieben. Über den wortgewaltigen Rafael Arozarena und dessen verstörenden Roman über Mararía, die Frau, die sich nicht klein machen lassen wollte. Über den Lyriker Fernando Senante, den Surrealisten Alonso Quesada oder Rosario Valcárel, deren erotische Geschichten immer wieder für Aufregung sorgen... oder die Dichtergruppe Fetasa...

Service

"Kanarische Inseln. Eine literarische Einladung", Wagenbach

"Canarias. Kanarisches Lesebuch. Texte & Bilder", Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke

Carmen Laforet, "Die Insel und die Dämonen", Claasen

Udo Rabsch", "Tazacorte", Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke

Harald Körke, "Noch ein verdammter Tag im Paradies", Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke

Rafael Arozarena, "Mararía", Horlemann Verlag