Die Katholische Kirche im Internet

Fromm und online

Immer mehr private Initiativen bringen katholische Inhalte in die Online-Welt. Erst langsam beginnt auch die offizielle Vertretung, sich in diesem Kommunikationsfeld zu engagieren.

Singende Moderatorinnen gehören zur Grundausstattung der Internetseite Gloria.TV. Die Seite sieht aus und funktioniert wie youtube. Hochgeladene Videos können kommentiert, verlinkt und weitergeleitet werden. Selbst für Interessierte mit schlechter Internetverbindung gibt es von jedem Video eine Version mit minimaler Auflösung.

Doch statt lustiger Katzenvideos und was es sonst noch in der weiten Welt von youtube gibt, haben alle Videos von Gloria.TV den gleichen Auftrag. Hier geht es um die Verbreitung und vor allem Bewahrung des katholischen Glaubens. Herzstück des Online-Senders ist eine tägliche zwischen zwei und drei Minuten lange Nachrichtensendung. Inhaltlich geht es meistens um Verfehlungen von katholischen Würdenträgern, neue Botschaften des Papstes oder Kritik an ökumenischen Gottesdiensten. Der Großteil der Berichterstattung handelt aber vom christlichen Widerstand gegen Abtreibungskliniken, genauer gesagt die Klinik von Dr. Christian Fiala in der Nähe des Wiener Westbahnhofs.

Kleiner Exorzismus vor der Klinik

Als Lebensschützer bezeichnet Gloria.TV jene Menschen, die zum Protest vor der Abtreibungsklinik stehen und stille Gebete sprechen. In regelmäßigen Abständen wird darüber berichtet, wie diese Leute von Fiala-Angestellten bei ihrer Tätigkeit gestört werden. Doch auch vor härteren Geschützen schreckt einer der für Gloria.TV tätigen Priester nicht zurück. Als er vor der Klinik einen sogenannten kleinen Exorzismus durchführt, ist die Kamera natürlich dabei.

Wer genau hinter der Website steht, bleibt im Dunklen. Wer Schwierigkeiten mit der kyrillischen Schrift hat, tut sich mit dem Entziffern des Impressums schwer. Gehostet wird die Seite in Moldawien. Die Redaktionsmitglieder sind zwar mit Namen und Foto angeführt, auf Interviewanfragen seitens des ORF kam allerdings nur eine Grafik mit Userzahlen und der Hinweis, dass das Ziel von Gloria.TV die Verkündung des katholischen Glaubens sei.

Angebliche ehemalige Mitarbeiter beklagen sich in diversen Blogs darüber, dass die umstrittene Piusbrüderschaft mittlerweile das Programm bestimmen würde.

Aus dem Leben des "Pfaffenheini"

Der Wiener Pfarrer Christian Sieberer hat ebenfalls schon Videos auf Gloria.TV hochgeladen. Zwar ist er auch er mit manchem nicht einverstanden, freut sich aber über die Berichterstattungen zu katholischen Themen. Denn in den herkömmlichen Medien müsse anscheinend zu jeder päpstlichen Verlautbarung ein kritischer Kommentator etwas zu sagen haben, so Sieberer.

"Außerdem finde ich es berechtigt, auch offizielle Amtsträger der Kirche zu kritisieren, die sich nicht an die Vorgaben der Gemeinschaft halten." Da Kritik in Institutionen wie der Kirche selten laut wird, würden solche Initiativen viel leisten.

Er selbst ist Pfarrer im 14. Wiener Gemeindebezirk. Zu Gläubigen spricht er aber nicht nur in der sonntäglichen Predigt, sondern immer wieder auch mal online. Die Botschaften sind dieselben, doch an das Medium Internet sind die Online-Beiträge laut Sieberer auch formal angepasst.

Für die von ihm in Eigenregie hergestellten youtube-Videos setzt er sich gerne mal eine Sonnenbrille oder einen lustigen Hut auf und wenn es gerade passt, kommt auch noch ein leicht psychedelischer Hintergrund dazu. Produziert werden diese Videos aber ausschließlich in der Freizeit und nicht im Rahmen des normalen Seelsorge-Dienstes.

Seinen Spitznamen "Pfaffenheini" verdankt er einem Obdachlosen, der den damaligen Priesterseminaristen immer so begrüßt hat. Seine Kollegen und Glaubensbrüder waren anfangs wenig begeistert. "Einige nette Mitbrüder und Vorgesetzte haben mich als verrückt bezeichnet. Mich wundert bis heute, dass man anscheinend den simplen Unterschied nicht sieht, ob sich jemand verrückt präsentiert oder wirklich verrückt ist."

Den verrückten Typen in Priestermontur gibt er aber nur online. Seinen Brotberuf verrichtet er jeden Sonntagvormittag genauso, wie es das zweite vatikanische Konzil vorsieht. Als er seinen Dienst als Pfarrer angetreten hat, waren einige Gläubige der Gemeinde in Angst, dass Sieberer auch am Altar zu rappen beginnt. Diese Angst haben vor allem jene ausgesprochen, die schon etwas mehr Jahre auf dem Buckel haben. Meistens waren das aber solche, die zuvor noch nie auf youtube waren und die Gepflogenheiten dieses Mediums deshalb auch nicht kannten.

Linksammlung mit geprüft katholischem Inhalt

Neben den Videos bietet pfaffenheini.com eine Linksammlung zu katholischen Themen. Grund dafür war die Tatsache, dass Sieberer vor ein paar Jahren im Internet nach Informationen über das Thema Beichte gesucht hat und dabei eigentlich nur auf schlüpfrige Websites gestoßen ist, die mit der Grundidee gar nichts gemeinsam haben.

Mittlerweile bietet er auf seiner Website links und Infos über Dinge wie Sexsucht, Zölibat und dem eher ungewöhnlichen Steckenpferd des Pfarrers, nämlich dem katholischen Exorzismus. Auch wenn die Form der pfaffenheini-Aktivitäten durchaus modernen Kommunikationspraktiken entspricht, die Inhalte sind es nicht.

Sieberer beharrt darauf, ausschließlich geprüft katholische Inhalte zu vermitteln. Das Medium ist hier also nicht Botschaft, sondern zielgruppenbestimmter Informationsträger. Mit den offiziellen Websites der katholischen Kirche in Österreich ist Sieberer oft nicht glücklich. Diese würden nämlich permanent unkatholische Inhalte präsentieren. Dazu gehören auch Fotogalerien mit "liturgischen Missbräuchen", wie Siebert die nicht ganz Vatikan-konformen Messfeiern nennt.

Föderale Internetstrategie

Eine gemeinsame Strategie für die unterschiedlichen Seiten der Diözesen und Pfarren gibt es nicht, wie Henning Klingen von der katholischen Presseagentur kathpress erklärt. Durch die föderale Struktut der Kirche in Österreich sei dies auch kaum möglich. Vor allem im Bereich Web 2.0 stecke die offizielle katholische Vertretung des Landes noch eher in den Kinderschuhen.

Klingen betreut mehrere Online-Projekte der katholischen Kirche. Dazu gehört das Hauptportal katholisch.at, das bald einen Relaunch bekommen wird oder Info-Seiten zum Kirchenbeitrag und das vor kurzem veröffentlichte Projekt eintreten.at, das, wie der Name schon sagt, den Wiedereintritt in die katholische Kirche vereinfachen soll.

Das Vorzeigeprojekt ist aber die Website thematisch.at der katholischen Aktion Oberösterreich. Dort werden Themen diskutiert, getwittert und alle Regeln einer funktionalen Web 2.0 Seite eingehalten. Trotz genereller Skepsis gegenüber Kommentarmöglichkeiten hat sich die Angst vor anonymen Beschimpfungen bisher nicht bewahrheitet. Wirklich aktiv seien auf dieser Website nämlich vor allem engagierte Laienchristen, die ihren Glauben auch in der virtuellen Welt leben wollen.

"Ich will keinen neuen Index"

Das Bedürfnis, religiöse Themen zu diskutieren, ist also vorhanden. Neben den offiziellen Angeboten passiert das aber häufig auf Webseiten wie auf dem bereits erwähnten Portal Gloria.TV. Für den Medienreferenten der katholischen Bischofskonferenz Paul Wuthe sind diese Portale zwar nicht angenehm, ein Vorgehen der Amtskirche dagegen lehnt er aber strikt ab. "Die katholische Kirche hat bis zum Zweiten vatikanischen Konzil so etwas wie einen Index der verbotenen Bücher gehabt. Ich wünsche mir für heute keinen Index der verbotenen Internetseiten."

Vor allem eine Seite namens kreuz.net wird bei offiziellen Kirchenvertretern mit Sorge betrachtet. Kritische Bischöfe werden dort als Kameradenschweine beschimpft, Homosexuelle mit dem Teufel in Verbindung gebracht, alles wüst beschimpft, was der dogmatischen Kirchenlehre widerspricht. Reißerische Schlagzeilen inklusive. Für Wuthe lebt kreuz.net "vom Bedürfnis des Menschen nach Klatsch und Tratsch." Laut Impressum seien viele Redakteure hauptberuflich im kirchlichen Bereich tätig. Wuthe hofft, dass sie "das außerhalb ihrer Dienstzeit tun" und meint, sie würden ihren Dienst völlig falsch erfüllen.

Anstatt das Feld der Online-Welt den undurchsichtigen Privatinitiativen zu überlassen, will vor allem der Vatikan auch aktiver werden. Anfang Mai werden 150 Blogger nach Rom eingeladen. Laut Gudrun Sailer von Radio Vatikan geht es darum, "die Sprache der Blogger kennen zu lernen." Auch Kritiker der Kirche sollen bei der Konferenz willkommen sein. Ob die aber wirklich kommen, bleibt fraglich.

Niko Alm ist Blogger und Medienunternehmer in Wien. Den link zur Einladung hat er von mehreren Bekannten bekommen. Bewerben wird er sich trotzdem nicht. "Es interessiert mich nicht, mich mit dem Vatikan auf dieser Ebene auseinanderzusetzen. Ich stehe nicht zur Verfügung, wenn dieser Staat beginnt, sich für solche Kommunikationsmethoden zu interessieren."

Es gibt kein Meinungsmonopol mehr

Alm ist Initiator der Laizismusinitiative, die eine strengere Trennung von Kirche und Staat fordert. In punkto Kirche im Internet ist er deshalb zwar kein objektiver, aber trotzdem erfahrener Social Media Experte. Den offiziellen Online-Angeboten der katholischen Kirche unterstellt er zwar eine leichte Antiquiertheit, alles in allem seien die Seiten aber gut gemacht.

Dass mittlerweile immer mehr private Initiativen die Informationshoheit im Internet untergraben, ist seiner Meinung nach ein klares Merkmal eines frei zugänglichen Mediums, wie es das Internet nun eben mal ist. Solange das singende Moderatorinnen sind, hält sich die spirituelle Gefahr allerdings in Grenzen.

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