Tunesien nach der Revolution

Sihem Bensedrine: Kampf für Demokratie

Die mit dem Concordia-Preis ausgezeichnete tunesische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine hat sich während der Diktatur in Tunesien stets für die Freiheit eingesetzt und war deswegen auch in Haft. Nach der Revolution setzt sie sich vehement für die Rückkehr der Demokratie in ihrer Heimat ein.

Mittagsjournal, 03.05.2011

Wegbegleiterin zur Demokratie

Am Montag hat der Presseclub Concordia mehrere Journalisten für ihre Leistungen im Bereich Menschenrechte und Demokratie ausgezeichnet. Unter anderen auch die tunesische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine. Sie erhielt einen Sonderpreis für Pressefreiheit. Sie hat sich während der Diktatur immer für die Freiheit eingesetzt und war sogar im Gefängnis.

Nach der Jasmin-Revolution in Tunesien Anfang des Jahres war sie nicht untätig. Sie war an der Erstellung des neuen Wahlrechts mitbeteiligt und ist Sprecherin des Nationalrats für die Freiheit in Tunesien, einer Organisation die sich für die Rückkehr der Demokratie in Tunesien einsetzt. Fünf Monate nach der Revolution ist sie optimistisch und besorgt zugleich.

Fehler nicht wiederholen

Ihr Optimismus kommt daher, dass sie davon überzeugt ist, dass die Tunesische Revolution nicht die Fehler machen wird, die andere Revolutionen begangen haben. So wird es keine Präsidentenwahl geben, bis nicht eine neue Verfassung in Kraft ist: "Wenn wir zuerst Präsidentenwahlen gemacht hätten, basierend auf die alte Verfassung, so hätten wir mittelfristig wieder eine Diktatur herbeigerufen. Wir haben andere Länder beobachtet, die in ähnlichen Situationen wie wir waren, und die die nach der Revolution gleich zu Präsidentschaftswahlen übergegangen sind, sind wieder in eine Diktatur verfallen. Bestes Beispiel: Weißrussland".
"Es geht dabei nicht um Personen, sondern um Institutionen. Wenn die Institutionen eines Landes dahin ausgelegt sind, einen Diktator zu formen, dann wird der beste Demokrat wieder zum Diktator".

Zuerst neue Verfassung

Heute kann das, so Bensedrine weiter, in Tunesien nicht mehr passieren. Denn zuerst wird die verfassungsgebende Versammlung eine neue demokratische Verfassung schreiben, und dann wird es neue Wahlen geben.

Doch bereits beim ersten Schritt gibt es schon Probleme. Denn bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung wurde bestimmt, dass keine Mitglieder der ehemaligen, jetzt aufgelösten, Partei des Diktators Ben Ali kandidieren dürften. "Die sollen doch jetzt nicht an unserer neuen Verfassung mitschreiben dürfen", sagt Bensedrine.

Frauenquote eingeführt

Doch die ehemaligen Oppositionsparteien fühlen sich benachteiligt. Denn viele ihrer Mitglieder waren früher in der RDC, der Partei von Ben Ali.

Ein weiteres Problem sieht Bensedrine als eine Errungenschaft. Auf allen Listen wird es verpflichtend gleich viel Männer und Frauen geben müssen. "Und es waren nicht die Fundamentalisten, die dagegen waren. Es waren wieder die Oppositionsparteien". "In der Wahlkommission haben sie gesagt: Das sind zu schwierige Bedingungen, wir werden nicht genügend Frauen finden. Ich frage warum könnt ihr nicht genügend Frauen finden. Es sind ja genug da! Ihr wollt sie nicht suchen. Das ist der Grund". Da Bensedrine aber in der Wahlkommission war, hat sie die Frauenquoten durchgesetzt.

"Sind auf dem richtigen Weg"

Die Wahl wird also stattfinden, dennoch ist sie besorgt. Denn auf allen Ebenen gibt es immer noch Anhänger des alten Regimes, die ihre Privilegien verteidigen. In den Ministerien wurden die hohen Beamten ausgetauscht. Nicht aber die Mittelschicht. Von dort kommen jetzt die Probleme. "Zum Beispiel haben die Gefängnisleiter an den letzten drei Wochenenden die Türen der Gefängnisse offen gelassen: Es ist immer das gleiche. Man zahlt Sträflinge damit sie Chaos verbreiten. Als die Polizei dann eingeschritten ist, hat sie nur Jugendliche verhaftet die an Friedensdemonstrationen teilgenommen haben. Wir mussten dann einschreiten, ihnen Anwälte zur Verfügung stellen damit sie wieder freikommen".

Es ist normal so Bensedrine weiter. Die, die die Macht innehatten unter Ben Ali, werden ihre Privilegien nicht so leicht abgeben. Doch Sihem Bensedrine gibt nicht auf: "Ich erzähle das nicht, um zu sagen, dass ich verzweifelt und pessimistisch bin. Im Gegenteil: ich bin sehr sehr zuversichtlich. Denn ich weiß, wir sind auf dem richtigen Weg. Doch dieser Weg ist ein steiniger Weg", sagt die Menschenrechtsaktivistin Bensedrine.

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