Auch nach Abgang von Übergangspremier
Tunesien: Unruhen halten an
Die Lage in Tunesien ist derzeit sehr heikel, - die demokratische Opposition hat zwar den Sturz von Diktator Ben Ali erwirkt - doch das Regime von Ben Ali ist noch immer am Ruder und sperrt sich gegen echte demokratische Veränderungen. Die Opposition ist weiterhin auf der Straße.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 01.03.2011
Zu nahe am alten Regime
Immer wieder kommt es zu brutalen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Wochenlang forderte die Opposition den Rücktritt von Interimspremier Mohamed Ghanouchi, dem zu viel Nähe zum Alten Regime vorgehalten wurde. Doch sein Rücktritt am Wochenende hat keine wirkliche Entspannung gebracht, sagt Sihem Bensedrine, seit Jahren eine der bekanntesten Regimekritikerin in Tunesien und aktive Bürgerrechtlerin: "Ghanouchi war einfach ein schlechtes Ziel. Die Opposition ließ sich da manipulieren. Einige wollten uns glauben machen, dass es allein Ghanouchi ist, der alle Reformen blockiert. Jetzt ist er weg, doch nichts hat sich geändert.
Weiter in den Schlüsselpositionen
Das Regime von Ben Ali ist einfach noch da. Überall im Land sitzen Leute, die von dem Regime profitiert haben und von den Privilegien nichts abgeben wollen", so Bensedrine: "Diese Leute sind sehr mächtig, das darf man nicht vergessen, sie sitzen allen Schlüsselpositionen im Land, in der Wirtschaft, in der Justiz und im Staatsapparat. Sie arbeiten mit der politischen Polizei zusammen und setzen alle Mittel ein, um eine echte Demokratisierung Tunesiens zu verhindern".
Skepsis gegenüber neuem Premier
So reagiert denn die Opposition mit großer Skepsis auf den neuen Premier Beji Caid Essebsi, der nur wenige Stunden nach dem Rücktritt Ghanouchis eingesetzt wurde: "Er ist einfach zu alt, mit seinen 84 Jahren ist er nicht Herr der Lage. Außerdem: wer steckt hinter seiner Ernennung, welches Ziel wird damit verfolgt. Warum wurde das durchgezogen, ohne Konsultationen, ohne Gespräche mit der Opposition".
Freie Wahlen gefordert
De facto ist die Opposition weiterhin von allen politischen Prozessen in Tunesien ausgeschlossen. Die Regierung verspreche zwar Wahlen im Sommer, mache gleichzeitig aber keine Anstalten, diese wirklich vorzubereiten, kritisiert die tunesische Bürgerrechtsaktivistin: "Wir wollen Wahlen, aber keine Wahlen auf Basis der Alten Verfassung. DAs ist der zentrale Punkt. Denn nach der Alten Verfassung ist keine echte demokratische Wahl möglich. Außerdem wollen wir künftig keinen starken Präsidenten der Republik, wir wollen vielmehr ein starkes Parlament. Und dafür muss aber die Verfassung geändert werden und zwar unter Einbindung der Bevölkerung".
Nächste Wochen entscheidend
Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Tunesien befindet sich derzeit in einer sehr fragilen Übergangsperiode, betont Sihem Bensedrine. Die Demokratiebewegung hat noch nicht gewonnen, das alte Regime hat noch nicht wirklich verloren. Die nächsten Wochen würden zeigen, wer die Oberhand gewinnt.