In "Almanya" heimisch werden

Integration ist, wenn man trotzdem lacht

Wurde in den letzten Jahren das Thema Migration auf die Kinoleinwand gebracht, handelte es sich dabei meist um Dramen. Mit "Almanya" kommt jetzt ein Film in die Kinos, der dem Aufeinandertreffen der Kulturen mit intelligentem Humor den Stachel zieht. Über 45 Jahre und drei Generationen hinweg erzählt er vom Heimisch-werden einer türkischen Familie in Deutschland.

Kultur aktuell, 10.05.2011

Wegen einer folgenschweren Drängelei wird gerade nicht der türkische Großvater zum medial gefeierten millionsten Gastarbeiter, sondern tritt unmittelbar nach diesem in sein neues Leben fern der Heimat. "Almanya" erzählt die Geschichte dieser Ankunft in einer fast märchenhaften Farbigkeit, setzt als Kontrast aber auch schwarzweißes Archivmaterial ein.

Verantwortung auf beiden Seiten

Es sei grotesk, wenn man an diese Musterung und Nummerierung der Einwanderer denke, denn "das ist gar nicht so lange her", erzählt Nesrin Samdereli. "Es ist wichtig, dass man das heute weiß, weil wir jetzt an einem Punkt sind, wo gar nicht mehr darüber gesprochen wird; auch dass es ein bewusstes Anwerben war und dass das eine Entwicklung genommen hat, um die man sich auch kümmern muss. Da ist auf beiden Seiten Verantwortung gefragt."

Gemeinsam mit ihrer Schwester Yasemin, die auch Regie geführt hat, ist sie für das Drehbuch von "Almanya" verantwortlich. Ganz subjektiv wollte das türkischstämmige Schwesternpaar von den Hürden der Eingewöhnung erzählen. Von der Angst der Kinder vor dem Kruzifix, aber auch von deren Begeisterung für das neu entdeckte Weihnachtsfest, dessen Rituale den Eltern erst mühsam beigebracht werden müssen.

Um ihr Drehbuch zu schreiben, griffen die Schwestern auf die zahlreichen Anekdoten zurück, die in ihrer Familie kursierten. Und obwohl da die Anfangszeit immer als hart und schwierig beschrieben wurde, herrschte doch ein humoristischer Grundton vor.

Mit Augenzwinkern

Geschult an Meistern der intelligenten Komik wie Billy Wilder und Salman Rushdie, gelingt es den Samderelis, diesen schelmenhaften Humor auch auf die Leinwand zu bringen. Gern polemisch diskutierte Themen wie Leitkultur und Identität werden da mit einem gewitzten Augenzwinkern, deshalb aber nicht weniger eindringlich abgehandelt.

Gerade mit den intelligenten Überspitzungen und Übertreibungen lässt "Almanya" die Polemiken der derzeitigen Integrationsdebatte ins Leere laufen. Mit entwaffnender Chuzpe geht es da gegen verhärtete Fronten und so regiert der Leitspruch: Integration ist, wenn man trotzdem lacht.

Textfassung: Ruth Halle