Leben in der Schwerelosigkeit

Architektur für den Weltraum

Genau 108 Minuten hielt sich Juri Gagarin im Weltraum auf, als er diesen 1961 als erster Mensch bereiste. Seither sind über 500 Astronauten und Kosmonauten auf Raumfahrten unterwegs gewesen, die Aufenthaltsdauer ist auf mehrere Monate angestiegen, und der Weltraumtourismus ist in greifbare Nähe gerückt.

Doch wie lebt man an Bord einer Raumstation? Welche Auswirkungen haben die extremen Bedingungen auf die Psyche und den Körper der Raumfahrer? Und wie entspricht die Gestaltung von Raumstationen und -vehikeln diesen Bedingungen? Solche Fragen hat die Architektin Sandra Häuplik-Meusburger untersucht.

Fixpunkt Fitness

Mit jedem Kilometer Entfernung von der Erde und durch die sinkende Schwerkraft, erzählt sie, steigen die Probleme. Das habe Auswirkungen auf den Organismus, denn der Körper fange an, Muskeln abzubauen. Um dem Muskelabbau des schwebenden Körpers vorzubeugen, müssen Astronauten daher mit eiserner Disziplin Sport betreiben. Fitness ist im Tagesablauf der Besatzung der Internationalen Raumstation ISS fix verankert. "Astronauten müssen zwei Stunden Fitness machen, das muss natürlich koordiniert sein", so Häuplik-Meusburger.

Im Springer Verlag hat Sandra Häuplik-Meusburger das Buch "Architecture for Astronauts" herausgebracht, das – unter Anwesenheit eines echten Kosmonauten – im Rahmen der Ausstellung "Weltraum. Die Kunst und ein Traum" in der Kunsthalle Wien präsentiert wird. In dem Buch vergleicht Häuplik-Meusburger die Architektur und das Design mehrerer Raumstationen.

Von Ingenieuren entworfen

Als besonders gelungen gebaut bezeichnet sie die sowjetische Raumstation Mir, die ursprünglich für nur zwei Bewohner konstruiert war. "Gegen Ende, nach zehn Jahren, waren sechs bis sieben Personen an Bord. Das strengt dann auch die Technik an."

In die Planung von Weltraum-Räumen werden Architektinnen und Designer, so bedauert Häuplik-Meusburger, noch immer zu wenig einbezogen. Ingenieuren haben sie voraus, dass sie gewohnt sind, die Entwürfe auf den praktischen Gebrauch durch Menschen auszurichten. Als Beispiel nennt sie den Fall eines undichten Fensters an Bord der ISS. Das Leck, das einen Druckabfall bewirkte, entstand dadurch, dass sich die Astronauten mangels eines Haltegriffes am Fensterrand festhielten, wenn sie hinaus schauten, und sich infolgedessen ein Dichtungsring löste.

Schlafen mit Gurt

Ihr Buch "Architecture for Astronauts" hat Häuplik-Meusburger in Kapitel gegliedert, die den fünf Aktivitäten Essen, Freizeit, Arbeit, Hygiene und Schlaf entsprechen. Für die Nachtruhe sind an Bord der ISS übrigens Räume in der Größe eines Sarkophags vorgesehen, wie ein Raumfahrer der Buchautorin im Interview erzählt hat: Wenn man sich nicht angurtet, dann schwebt man in der Mitte.

Herausgefunden hat Häuplik-Meusburger auch, dass von Gästen manchmal Alkohol als Gastgeschenk an Bord der Raumstation geschmuggelt wird und man sich die langen Stunden im endlosen Raum gerne mit Gartenarbeiten vertreibt. Beantwortet wird auch die Frage, wie in der Schwerelosigkeit, wo sich Flüssigkeiten in alle Richtungen zerstäuben, das Klo funktioniert: Wenn man mal weiß, wie es funktioniert, sei es eigentlich kein Problem.

Service

Sandra Häuplik-Meusburger, "Architecture for Astronauts", Springer Verlag

Space-craft
Kunsthalle Wien - Weltraum. Die Kunst und ein Traum
Springer Verlag - Architecture for Astronauts