Hommage an das Kosmonautenidol Juri Gagarin
"Wostok 1" im Landeanflug
1961 umkreiste er in der Raumkapsel Wostok 1 als erster Mensch unseren Planeten. Über Nacht wurde Juri Gagarin zum Helden und zum Popstar der Sowjetunion. Walter Famler hat sich gemeinsam mit Herwig Höller auf die Spur des Kosmonauten begeben.
8. April 2017, 21:58
Der Zusammenhang zwischen Juri Gagarins Raumschiff Wostok 1, mit dem er am 12. April 1961 in einer Stunde und achtundvierzig Minuten die Erde umkreiste, und der Strecke Wien-Moskau-Wien, zurückgelegt mit einem Steyr Puch 500 mit amtlichem Kennzeichen W-OSTOK-1, ist erklärungsbedürftig:
Zum einem sind zeitliche Parallelitäten in der Fahrzeugentwicklung festzustellen. Am 30. September 1957 lief der erste Puch 500 im Grazer Werk vom Band, am 4. Oktober schossen die Russen den Wostok-Vorläufer Sputnik ins Weltall. Und als die Sowjets in der ersten Hälfte der 1960er Jahre mit bemannten Raumflügen ihre Triumphe feierten, lehrte die Rennversion des kleinen Steyrers der europäischen Motorsport-Konkurrenz das Fürchten.
Zum anderen sind zwischen W-OSTOK-1 und seinem weltraumerprobten Namenspatron inhaltliche Kongruenzen auszumachen. Der Fahrzeughalter des roten Austro-Fiats ist nämlich nebenberuflich Kommandant der Bewegung KOCMOC/Gruppe Gagarin, einer weltweit operierenden informellen Gruppe von derzeit etwa 60 Spezialisten und Spezialistinnen aus verschiedenen Fachgebieten, die sich interdisziplinär mit dem Sowjetstar Gagarin beschäftigen, das Kennzeichen des Wostok-Puchs eine Hommage an das Kosmonautenidol.
Beginn einer abenteuerlichen Reise
Nach diversen Sondierungsunternehmungen und längeren Testfahrten erschien 2007 nicht nur wegen der oben erwähnten Jubiläen als ideales Zeitfenster für eine größer angelegte Gagarin-Mission. Es rundeten sich in diesem Jahr auch die Geburtstage zweier russischer Weltraumgrößen: der Sputnik-Konstrukteur Sergej Korolow wäre heuer 100 Jahre alt, der legendäre russische Raumfahrtvordenker Konstantin Ziolkowski 150. Beider Wirkungsstätten in Kaluga und Moskau waren somit neben Gagarins Geburtsort, den Arbeitsstätten des Kosmonauten Nr. 1 und seinem Grab an der Kremlmauer Ziele unserer Wallfahrt.
Nach einer zweiwöchigen Recherchereise, bei der Zufahrts- und Zutrittsgenehmigungen am Roten Platz angefragt wurden und DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn zu entsprechenden Kontakten im "Sternenstädtchen" verhalf, wurde der Starttermin festgelegt und aus einem erweiterten Kandidatenkader die Crew rekrutiert: neben dem Wostok-Piloten der Slawist Herwig Höller, dazu der bildende Künstler Josef Schützenhöfer am Steuer des Versorgungsfahrzeuges KOCMOC 110, einem Allrad-VW-Transporter mit bereits über 490.000 im Rettungsdienst absolvierten Kilometern, der auch dem Filmdokumentaristen Christian Reiser als rollende Kameraplattform dienen sollte.
Grünes Licht für Countdown
Nachdem die Bordmechaniker grünes Licht gegeben hatten, stand dem Countdown nichts mehr im Wege. Die erste Etappe führte über Budapest bis Uschhorod. Beim spätnächtlichen Grenzübertritt in die Ukraine reagierten die Zollbeamten so enthusiastisch auf unser Gefährt, dass sogar das lästige Ausfüllen der Fahrzeugformulare zu einer charmanten Nebensächlichkeit geriet. Auch die Bordverpflegung, 30 Kilogramm steirische Hartwürste und mehrere Liter Schnaps, wurde großzügig übersehen.
Zwischenlandungen in Lemberg und Kiew, die wunderschöne Strecke über die Großen Karpaten und danach die schier endlosen Weiten hin zur russischen Grenze entlohnten die Mannschaft für die teilweise abenteuerlichen ukrainischen Straßenverhältnisse und ließen einige unfallträchtige Situationen mit gefährlich überholenden LKW rasch vergessen.
Besuch im Kosmosmuseum
In der Abendsonne des vierten Reisetages standen wir dann am großen Gagarindenkmal in Kaluga, wo wir am nächsten Morgen im Kosmosmuseum wie Staatsgäste empfangen wurden. Juri Gagarin hatte hier noch den Grundstein gelegt, die Eröffnung allerdings nicht mehr erlebt.
Bei der Führung durch Ziolkowskis Wohnhaus erreicht uns ein Anruf aus der österreichischen Botschaft: Die Kremlwache erteilt Zufahrts- und Filmberechtigungen am Roten Platz und an Gagarins Grab. Die Botschaftsmitarbeiterin gratuliert und gesteht, dass sie dies für unmöglich gehalten hatte. Sogar unserem berühmten Landsmann Niki Lauda wäre eine ähnliche Anfrage kürzlich erst abschlägig beschieden worden.
Kosmonaut als Puch-500-Testpilot
Im Kosmonautenausbildungszentrum von Swjosdny Gorodok werden wir etliche Tage später mit allen Ehren empfangen. Rekordkosmonaut Anatoli Solowjow stellt sich uns als Puch-500-Testpilot zur Verfügung, wir jedoch kneifen beim Schwerelosigkeitstraining an der großen Zentrifuge.
Zur großen Gagarinstatue vor dem Wohnblock, in dem seine Witwe noch heute lebt, bringen alle Kosmonauten vor dem Start in den Weltraum Blumen, und weil wir nun auch bald wieder abfliegen, dürfen wir uns diesem Brauch anschließen.
Die österreichische Erde hat uns wieder
Die nächsten Etappen führen uns in das Dorf Nowoselowo, nahe dem Gagarin mit einer MiG 15 1968 tödlich verunglückte, und in seinen Geburtsort Kluschino bei Smolensk. Ohne besondere Formalitäten überqueren wir danach die weißrussische Grenze und besuchen in Minsk noch den Bildhauer Ivan Misko in seinem Atelier. Begeistert von Gagarins Flug hat Misko seit 1961 viele große Plastiken mit kosmonautischen Motiven geschaffen und zahlreiche Weltraumflieger in Bronze gegossen.
Nach Minsk erweist sich die Grenze zu Polen als einziges fast unüberwindliches Hindernis. Schon einigermaßen erschöpft von den Reisestrapazen waren bei 38 Grad im Schatten mehrstündige bürokratische Schikanen nur mit kosmischer Geduld zu durchsteuern. Nachdem wir schlussendlich aber auch die polnischen Zollbehörden noch zum Schmunzeln bringen, startet Wostok 1 ein letztes Mal voll durch. Wir passieren Warschau bei untergehender Sonne und halten Kurs Richtung Landegebiet Wien. Beim Wiedereintritt in die österreichische Atmosphäre hat unser kleines rotes Raumschiff in 18 Tagen insgesamt 5.700 Kilometer pannenfrei absolviert. Pilot und Beifahrer allerdings hatten bandscheibenbedingt einige Probleme, sich an die Schwerkraft der heimischen Verhältnisse wieder anzupassen.
Text: Walter Famler und Herwig G. Höller
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Wikipedia - Juri Gagarin