Kritik an Moody's und Co. nimmt zu

Diskussion um europäische Ratingagentur

Die mächtigen Ratingagenturen sitzen in den USA und seien zu Europa besonders hart, kritisiert Notenbankgouverneur Nowotny. Eine europäische Ratingagentur müsse her, fordert Bundeskanzler Faymann. Finanzexperten sehen darin keine Lösung, vielmehr solle Europa die Ratingagenturen entmachten.

Nadja Hahn

US-Ratingagenturen dominieren

Die drei mächtigsten Ratingagenturen der Welt sitzen in den USA. Sie heißen Standard & Poor‘s, Moody‘s und Fitch - und kontrollieren über 90 Prozent des Marktes. Ihre Eigentümer sind private Fondsgesellschaften und Unternehmen, die überwiegend aus den USA kommen.

Diese Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Ländern und Unternehmen. Zu diesem Zweck schicken sie ihre Teams rund um die Welt. Bezahlt werden die Analysen meist von den Auftraggebern. Natürlich würden sich dabei Interessenskonflikte ergeben, sagt Stefan Pichler, Finanzexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien. Gleichzeitig schränkt er ein: „Würden die Agenturen möglich günstige Ratings vergeben, würden ihnen innerhalb kürzester Zeit niemand mehr glauben.“

„Hart zu Europa“

Nationalbank-Chef Ewald Nowotny kritisiert die Rating-Agenturen wegen ihrer strengen Vorgaben für die Griechenland-Hilfe. Was Nowotny aktuell sauer aufstoßt: Gestern verkündete die Ratingagentur Standard & Poor’s, eine Beteiligung der Banken am Rettungspaket für Griechenland als teilweisen Zahlungsausfall zu werten – eine Hiobsbotschaft an den Finanzmärkten. Ihm sei aufgefallen, dass die US-amerikanischen Agenturen in dieser europäischen Angelegenheit "sehr viel strikter und aggressiver sind als bei ähnlichen Fällen in Südamerika", meinte Nowotny gestern in der "Zeit im Bild 2".

Bundeskanzler Werner Faymann hat sich der Kritik von Nationalbankgouverneur Nowotny an den US-amerikanischen Ratingagenturen angeschlossen. „Es ist an der Zeit, dass wir in der Europäischen Union an einer europäischen Ratingagentur arbeiten,“ sagte Bundeskanzler Werner Faymann heute im Ministerrat. Er wolle eine EU-weit eine Initiative für eine solche Ratingagentur starten, meinte Faymann.

„Europäische Agentur keine Lösung“

Eine europäische Agentur am Finanzmarkt zu etablieren, würde mindestens zehn Jahre dauern, sagt Finanzexperte Pichler, in der aktuellen Schuldenkrise könnte sie also nichts mehr ausrichten. Eine weitere Schwierigkeit: Wer sollten die Eigentümer einer europäischen Ratingagentur sein? Finanzexperte Pichler hält nichts von einem privatwirtschaftlich organisierten europäischen Ratingagentur: „Die würde sich auch nicht anders verhalten als die amerikanischen.“ Andererseits würde aber auch eine Ratingagentur nicht funktionieren, die offen für politische Einflussnahme ist: „Die wird sich am freien Markt nicht durchsetzen, weil sie ja völlig unglaubwürdig ist, wenn sie abhängig von der Politik ist.“

Besser: Gesetze ändern

Den Ruf nach einer europäischen Agentur kann Pichler prinzipiell nicht verstehen. Denn die Europäische Zentralbank habe den US-Agenturen aus freiem Willen viel Macht zugesprochen mit gesetzlich verankerten Auflagen - zum Beispiel dafür, mit welchem Rating Staatsanleihen als Sicherheit für Kredite hinterlegt werden dürfen.

Europa könnte den drei großen Ratingagenturen ihre Macht absprechen, indem es seine eigenen Gesetze ändert und stattdessen in Finanzfragen politischen Entscheidungen mehr Gewicht gibt, etwa in der Frage welche Wertpapiere als Sicherheit für Kredite gelten dürfen, sagt Pichler.