Der "Mohr von Wien" im Wien Museum

Das Schicksal von Angelo Soliman

Er wurde von Sklavenhändlern verschleppt und ins barocke Europa gebracht: Angelo Soliman, einer der bekanntesten Afrikaner des 18. Jahrhunderts. Eine Ausstellung im Wien Museum widmet sich nun dem Schicksal des berühmten "Mohren von Wien", der nach seinem Tod 1796 ausgestopft und im kaiserlichen Hofnaturalienkabinett ausgestellt worden ist.

Wien war internationale Stadt

Der "hochfürstliche Mohr" Angelo Soliman war eine stadtbekannte Figur im barocken Wien. Wenn der oberste Diener des Fürsten Wenzel von Liechtenstein in den 1760er Jahren in seinem orientalisierenden Fantasie-Kostüm mit pelzumsäumtem Kaftan und weißem Turban auf dem Wiener Graben einherschritt, war ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit der Gaffer sicher.

"Wien war damals eine internationale Stadt, in der Türken und Armenier und Italiener gelebt haben", erklärt Wolfgang Kos, der Direktor des Wien Museums: "Italienisch und Französisch waren genauso Stadtsprachen wie Deutsch, und es gab auch einige Afrikaner damals in Wien. Es gab eine afrikanische Diaspora. Die meisten waren Diener."

Von Sklavenhändlern verschleppt

Diener wie der gebürtige Westafrikaner Angelo Soliman, der Ende der 1720er Jahre als Kind von Sklavenhändlern verschleppt und auf dem Umweg über Messina nach Wien gebracht wurde. In den 1750er Jahren tritt Soliman in die Dienste Wenzel von Liechtensteins, eines der mächtigsten Männer des Habsburgerreichs.

Liechtenstein macht den barocken Migranten zum Prinzenerzieher und zum Chef seiner Dienerschaft. Es ist eine mehr als erstaunliche Karriere, die Angelo Soliman da hingelegt hat im Wien der Aufklärungs-Zeit.

Erfolgreiches Leben

In der von ihm kuratierten Ausstellung zeichnet der Kulturhistoriker Philipp Blom das bewegte Leben des Angelo Soliman auf differenzierte und differenzierende Weise nach: "Angelo Soliman hat sein erfolgreiches Leben führen können, weil er eben nicht dauernd vom Rassismus verfolgt wurde. Der bestand sicherlich, aber er war nicht das wesentliche Element in seinem Leben", so Blom.

Soliman konnte eine beachtliche Karriere machen, weil sich die aufgeklärten Eliten seiner Zeit als weltoffen und tolerant präsentieren wollten. Soliman war für die Familien Lobkowitz und Liechtenstein ein mustergültiger Repräsentant des "Edlen Wilden", mit dem man sich gern schmückte.

Echte Freunde gefunden

Der Migrant aus Westafrika scheint aber auch echte Freunde gewonnen zu haben in den höchsten und allerhöchsten Kreisen der österreichischen Hauptstadt, nicht zuletzt durch seine Mitgliedschaft in der Freimaurer-Loge "Zur wahren Eintracht", wie Kos erläutert: "Da gibt's, wenn man so will, die helle Seite: Einer aus Afrika, ein Sklave, kommt nach Wien und hat hier einen beruflichen Aufstieg. Er ist in Adelskreisen tätig, und am Lebensende wird er Teil der Wiener Aufklärungs-Szene, Freimaurer, angeblich Freund von Mozart, bekannt waren die beiden sicher. Und da gibt's die dunkle Seite."

Schändung des Leichnams

Die dunkle Seite betrifft vor allem die Schändung von Solimans Leichnam. Im November 1796, wenige Stunden nach seinem Tod, wurden die sterblichen Überreste des Afrikaners, angeblich auf Anordnung des Kaisers hin, beschlagnahmt und von Experten sachkundig ausgestopft.

Zehn Jahre lang schmückte Angelo Soliman dann als sogenanntes "Stopfpräparat" das kaiserliche Naturalienkabinett, als halbnackter Wilder, umgeben von Tieren aus Afrikas Urwäldern und Savannen. Dass er dereinst ein angesehener Bürger gewesen war, mit einer Wienerin verheiratet und Vater einer Tochter, davon war nichts mehr zu spüren.

"Eigentlich hat man damit posthum gesagt: 'Er war eh immer ein Neger'", so Blom.

Exotismus und höfische Kultur

Blom zeigt in seiner Ausstellung, wie sich Exotismus und höfische Kultur, vormoderner Rassismus und emanzipatorisches Engagement in der europäischen Aufklärung unauflöslich durchdrangen. Am Ende der Schau - und in einem ambitionierten Rahmenprogramm - wird auch der Umgang Österreichs mit heutigen Migranten thematisiert.

"In Solimans Wien konnte ein Angelo Soliman noch eine Karriere machen, nur aus der Kraft seiner Persönlichkeit heraus", sagt Blom. "Ich glaube heute ist es für Afrikaner in Wien eher schwieriger geworden, sich hier ein gutes Leben aufzubauen. Wenn man sich zum Beispiel die skandalöse Praxis der Asylgewährung ansieht, wo man Menschen hat, die länger als zehn Jahre auf einen Asylbescheid warten, das heißt, die länger als zehn Jahre hier leben, ihren Beruf nicht ausüben dürfen, kein Geld haben, keine Familie gründen können und so weiter, das ist eine Tragödie. Diese Menschen werden in einer Situation gehalten, die sicherlich der eines Sklaven im 18. Jahrhundert nicht unvergleichbar ist."

Service

"Angelo Soliman - Ein Afrikaner in Wien", 29. September 2011 bis 29. Jänner 2012, Wien Museum,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Tanz-Hotel, "Soliman revisited", 8. und 9. Oktober 2011, 20:00 Uhr, Odeon

Wien Museum
Tanz-Hotel