Afrikanische Diaspora in Österreich

Von Soliman zu Omofuma

Seit dem tragischen Tod von Marcus Omofuma in Polizeigewahrsam sind Österreichs Verwaltungsbehörden mit heftiger Kritik konfrontiert. Der Wiener Sozialhistoriker Walter Sauer stellt die Probleme der Gegenwart erstmals in einen historischen Zusammenhang.

Kein anderes aktuelles Thema wird in den Medien so einseitig dargestellt wie die Debatte um die Integration afrikanischer Migrantinnen und Migranten. Und kein anders Thema wurde so wenig historisch aufgearbeitet wie jenes der schwarzen Diaspora in Österreich.

Die Darstellungsweise von Menschen afrikanischer Herkunft unterliegt nicht nur gängigen Vorurteilen und Klischees, sondern das Thema Integration erfährt speziell in der Hinsicht afrikanischer Mitmenschen einen oft sehr ähnlichen Verlauf. Die Unwilligkeit zur Integration wird als Argument für eine nicht gelungene Asylpolitik herangezogen.

Historische Bestandsaufnahme

Der Herausgeber und Autor des Buches "Von Soliman zu Omofuma", Walter Sauer, hat aktuelle Vorkommnisse und Ressentiments zum Anlass genommen, mit seinem Autorenteam eine systematische historische Bestandsaufnahme afrikanischer Migration nach Österreich und afrikanischer Integration in Österreich aufzuarbeiten.

In dem Buch "Von Soliman zu Omofuma" wird zum ersten Mal ein Überblick über die Geschichte der afrikanischen Einwanderung geschaffen. Die Spannbreite ist groß und reicht von den aristokratischen Verhältnissen der so genannten "Hofmohren" im 16. und 17. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert in die Schaustellungsindustrie zurück.

Habsburgische Sklaven und NS-Schicksale
Ein Schwerpunkt im Buch setzt sich mit den bis heute unsichtbare Lebensrealitäten schwarzer Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Die Schicksale von Afrikanerinnen und Afrikanern im Konzentrationslager Mauthausen und in anderen Gefangenenlagern des Nationalsozialismus werden hier zum ersten Mal aufgearbeitet.

Historischen Quellen zufolge kamen die ersten Afrikaner vor mehreren hundert Jahren, zur Zeit der habsburgischen Monarchie, als Sklaven nach Österreich. In verschiedenen Funktionen verrichteten sie schwere körperliche Arbeit. Nicht zu vergessen war jene Gruppe, die im Zuge der alliierten Truppen Österreich von der Diktatur der Nazis befreiten.

Als Flüchtlinge der Bürgerkriege aus Afrika kamen in den späten 1960er Jahren und Anfang der 1970er Jahre die nächste Generation nach Österreich. Die meisten von ihnen waren Studierende. Das war mit einer der Gründe, warum die Integration in diesen Jahren einfacher war als es heutzutage der Fall ist, da die Zuwanderungen nicht mehr in den etablierten Kanälen erfolgt, wie Walter Sauer erläutert.

Aktuelle Entwicklungen
Mittlerweile leben ca. 23.000 Menschen afrikanischer Herkunft in Österreich. Davon leben 16.000 in der Bundeshauptstadt. Wie viele von ihnen sind schon in der zweiten bzw. dritten Generation in Österreich? Gibt es einen Erfahrungsunterschied zwischen den Generationen?

Integration sei schwieriger geworden, ist Walter Sauer überzeugt, "heute sind die Probleme der Diskriminierung stärker zu spüren, deshalb sind die Vertreterinnen und Vertreter der zweiten und dritten Generation in akzentuierteren Weise bestrebt, ihre Interessen wahrzunehmen".

Diskriminierungen nehmen zu
Die soziokulturelle Entwicklung zwischen Menschen afrikanischer Herkunft und der österreichischen Mehrheitsgesellschaft befindet sich an einem sehr kritischen Punkt. Afrikanischer Alltag erfolgt in der Öffentlichkeit nicht selten einer negativ konnotierten Darstellung.

Diese Tatsache ist so markant, dass positive Entwicklungen zur Gänze ausgeblendet werden, die zur substanziellen Änderung der Lebensqualitäten der afrikanischen Diaspora führen könnten. Aber das ist nicht die einzige Hürde.

Umdenken tut not
Eine These des Buches ist, dass die Republik Österreich in den 1990er Jahren falsch reagiert hat. Die Entscheidungsträger haben unter dem Eindruck steigender Einwanderungszahlen aus Afrika auf polizeistaatliche Mittel gesetzt. "Wie man heute sieht, war das mit großen Menschenrechtsverletzungen verbunden", so Sauer. Darüber hinaus waren die Maßnahmen auch nicht wirksam, weil Migration heute eine größere Dynamik denn je aufweist. Walter Sauer rechnet mit weiter steigendem Einwanderungsdruck und fordert einen gesellschaftlichen Umdenkprozess, um Integration zu verbessern.

Die gesellschaftlich konstruierten Konzepte von Blackness und Whiteness müssen, so Sauer, historisch relativiert und ihrer behaupteten historischen Zeitlosigkeit entkleidet werden.

Stereotype Vorstellungen über Afrika und Afrikaner sind ebenso Ergebnisse historischer Entwicklungen und somit zeitgebunden, wie Vorstellungen über Europa und Europäer. Diese Tatsache sollte mehr ins gesellschaftliche Gedächtnis zurück gerufen werden.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:45 Uhr

Buch-Tipp
Walter Sauer (Hrsg.), "Von Soliman zu Omofuma. Afrikanische Diaspora in Österreich, 17. bis 20. Jahrhundert", Studienverlag 2006, ISBN: 9783706540575

Link
Studienverlag - Von Soliman zu Omofuma