Bearbeitet von seinem Sohn Eugen Ruge

Erinnerungen von Wolfgang Ruge

Eugen Ruge war weitgehend unbekannt, als er im Vorjahr den Deutschen Buchpreis bekam: Seine DDR-Familiensaga "In Zeiten des abnehmenden Lichts" wurde zum besten deutschsprachigen Roman des Jahres gekürt. Es ist der Roman einer weit verzweigten Familie, deren Mitglieder große Ähnlichkeiten mit Ruges eigener Familie aufweisen.

Erschütternde Details über diese Familiengeschichte erfährt man jetzt aus den Lebenserinnerungen des prominenten DDR-Historikers Wolfgang Ruge, die sein Sohn Eugen nach dem Tod des Vaters herausgebracht hat: "Gelobtes Land. Meine Jahre in Stalins Sowjetunion".

Kulturjournal, 04.04.2012

Kristina Pfoser im Gespräch mit Eugen Ruge.

In einem Nachwort bringt es Eugen Ruge auf den Punkt: "Es ist ein beeindruckendes Zeugnis menschlicher Leidens- und Lebensfähigkeit und ein außergewöhnliches Zeitdokument, das Verbannung und Zwangsarbeit in der Sowjetunion aus der Perspektive eines deutschen Kommunisten beschreibt." (S. 455).

Der deutsche Kommunist, das war Eugen Ruges Vater Wolfgang Ruge, er war 16, als er aus Hitlers Berlin in die Sowjetunion geflohen ist - das Bild vom "gelobten Land" bekommt schon früh erste Risse.

Kultur aktuell, 04.04.2012

Stalins Terror entkommen

In Moskau erlebte Wolfgang Ruge den Hunger und Stalins Terror, er konnte aber noch maturieren und er begann Geschichte zu studieren. Bis 1941 - nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion wurde er als Deutscher nach Kasachstan deportiert. 15 Jahre hat er im Gulag und in der Verbannung verbracht, Temperaturen bis minus 40 Grad, Hunger und Schikanen überlebt. "Wen der Frost übrig ließ, raffte der Typhus dahin", schrieb Wolfgang Ruge über den Lageralltag in der Siedlung Nr. 11 im Nord-Ural.

Erst nach Stalins Tod lockerte sich das Lagersystem, aufrecht blieb die sogenannte "Verbannung auf ewige Zeiten". In der Verbannung wurde 1954 auch Eugen Ruge geboren, in Soswa im Ural, erst zwei Jahre später konnte die Familie nach Deutschland zurückkehren.

Wolfgang Ruge hat Karriere gemacht - als Spezialist für die Weimarer Republik, ein gefeierter Historiker, ausgezeichnet mit dem Nationalpreis. Zeitlebens habe sein Vater nach einer angemessenen Form für die Verarbeitung seines Traumas gesucht, sagt Eugen Ruge, schon in den 1960er Jahren habe er mit der Niederschrift seines Berichts begonnen.

Aus einem Konglomerat von Manuskripten hat der Sohn jetzt in sorgfältiger Editionsarbeit den Erinnerungsband "Gelobtes Land" komponiert. Sozusagen als Nachtrag, bzw. als dokumentarische Vorgeschichte zu seinem ausgezeichnetem Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts". Ob sich sein Vater über diesen Roman gefreut hätte? Eugen Ruge meldet Zweifel an.

Textfassung: Ruth Halle

Service

"Gelobtes Land. Meine Jahre in Stalins Sowjetunion", die Erinnerungen von Wolfgang Ruge sind - herausgegeben von Eugen Ruge - im Rowohlt Verlag erschienen.