"360": Ein Film geht um die ganze Welt

Im Mai jährte sich zum 150. Mal der Geburtstag Arthur Schnitzlers. Jetzt kommt mit "360" ein starbesetzter Film in die heimischen Kinos, der sich als Hommage an den österreichischen Dramatiker versteht. Verführung und Begierde spielen in dem Episodenfilm dann auch eine wichtige Rolle. In den Hauptrollen sind Jude Law, Anthony Hopkins und Burgtheater-Mime Johannes Krisch zu sehen.

Morgenjournal, 20.8.2012

Verhängnisvolle Affären waren zu Schnitzlers Zeiten ein dankbares Thema und sind es noch heute. Verliefen damals die versteckten Fäden zwischen den Akteuren allerdings noch durch die dunklen Straßen der Wiener Vorstadt, so ziehen sie sich im Film "360" quer über den Globus.

Der Titel weist übrigens auf die 360 Grad eines Kreises hin, der sich in einem Bühnenstück des österreichischen Dramatikers schließt. Regisseur Fernando Meirelles: "Schnitzlers 'Reigen' war der Ausgangspunkt für das ganze Projekt. Inhaltlich erzählen wir allerdings ganz andere Geschichten als der 'Reigen'."

Was Drehbuchautor Peter Morgan von Schnitzlers Drama übernommen hat, ist die Idee, dass eine Figur zur nächsten führt und immer so weiter bis wir am Ende wieder bei der ersten Figur gelandet sind. Und sowohl der "Reigen" als auch unser Film "360" beginnen in Wien und mit einer Prostituierten und endet dort auch wieder mit dieser Frau.

Psychothriller, Komödie, Action, und Melodrama

Von Wien wechselt das Geschehen nach London und weiter nach Übersee, aber auch Bratislava und Paris kommen als Schauplätze vor. Und weil sich die Versuchung nicht um Ruf und Status schert, werden dabei vom Topmanager bis zum Ex-Häftling alle Gesellschaftsschichten durchwandert.

Verantwortlich für die gefinkelt gestrickte Geschichte ist der Brite Peter Morgan, der für sein Drehbuch zu "The Queen" einen Golden Globe einstreifen konnte und der seit einigen Jahren in Wien lebt.

Er bedient, und das macht den Film "360" so abwechslungsreich, auch mehrere Genres. Psychothriller und Komödie, Action-Szenen und Melodramatisches folgen da unmittelbar aufeinander. Anthony Hopkins etwa spielt einen Mann, der sich in einem Flieger hoch über dem Atlantik an seinen lange zurückliegenden Ehebruch und die schwerwiegenden Folgen erinnert.

Die Identität als Spielball

Hopkins, so erzählt Regisseur Meirelles, hat aber nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Musiker gute Figur gemacht: "Anthony spielt ausgezeichnet Klavier, er könnte ohne weiteres als Konzertpianist sein Geld verdienen. Außerdem komponiert er für ganze Orchester und dirigiert auch selbst. Ich habe ihn deshalb spontan gefragt, ob er nicht die Musik für seine Filmfigur schreiben möchte und er ist dann wirklich am nächsten Tag in London ins Studio gegangen und hat einen Song für mich aufgenommen."

Dass Fernando Meirelles seine Figuren rund um den Globus schickt, sorgt nicht nur für Exotik, es zeigt auch, wie die Menschen mit der Anonymität von Nicht-Orten wie Flughäfen und Hotellobbys umgehen. Die Identität wird da nämlich zum Spielball.

Die Kurzatmigkeit des Films "360" lässt zwar keine tiefschürfenden psychologischen Porträts Marke Schnitzler zu, dafür zeigt er auf abwechslungsreiche Weise, wie Globalisierung und Flugverkehr dem Begriff "menschliche Nähe" eine ganz neue Bedeutung verliehen haben.

Service

360