Anklage einer verlorenen Generation

Genug Gelogen! So nicht!

Die Demokratie sei zur Farce geworden, die Politik habe keine Ideale mehr und interessiere sich weder für die Probleme noch für die Perspektiven der Jungen. Der 23-jährige Bernhard Winkler formuliert 20 Anklagepunkte.

Es ist wahrlich kein Jammerton, in dem Bernhard Winkler seine Anklage formuliert, er argumentiert sehr salopp, locker und amüsant. Generation verloren, Generation Praktikum, Generation ohne Vision – Etikette wie diese werden den heute 20 bis 30-Jährigen gerne verpasst.

"Vom Freak zum Frustrierten" nennt Bernhard Winkler sein erstes Kapitel, in dem er von seinem wachsenden Interesse für Politik als Jugendlicher erzählt, das sich zehn Jahre später in Politikfrust verwandelt hat. Er klagt an: die Politik habe ihre Glaubwürdigkeit verloren - eines von vielen Indizien dafür sei der "Geilomobil-Wahlkampf" der jungen Schwarzen im Jahr 2010.

"Leider geil" wurde zwar 2012 zum österreichischen Jugendwort des Jahres gekürt, in der aktuellen Politik ist aber noch immer leider wenig geil, Veruntreuung, Käuflichkeit und Unschuldsvermutung haben häufig Auftritte in den Nachrichten.

Der Politik fehle das Kommunizieren mit den jungen Wählern und es mangle an Werten, die die Parteien klar unterscheiden, kritisiert der 23-Jährige.

Sehr treffend geschrieben ist das Kapitel über junge Akademiker, die Arbeit suchen. Winkler beruft sich auf eine Studie der Statistik Austria über den Bildungsstand der Bevölkerung, nach der der Anteil jener Menschen, die einem akademischen Abschluss haben, jedes Jahr steigt: In Österreich hat sich die Akademikerquote zwischen 1971 und 2010 von 2,8 auf 11,4 Prozent mehr als vervierfacht.

Auch die Zahl der Menschen mit Matura hat sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt, der Anteil jener Österreicher, die nur einen Pflichtschulabschluss haben ist von 57,8 Prozent auf 19,4 Prozent gesunken. Ist Österreichs Bevölkerung also klüger geworden, verdient sie mehr Geld? Oder ist sie in ihren Jobs glücklicher als früher? Vieles spreche dagegen, meint Bernhard Winkler.

Viele Jobs sind befristet, Arbeitsverhältnisse auf Werkvertragsbasis sind keine Ausnahme und der gut verdienende Angestellte, der in Pension geht, werde oft durch einen schlecht bezahlten Berufseinsteiger ersetzt, klagt Winker an. Er beschreibt auch das Unverständnis vieler Eltern, die nicht verstehen wollen, warum sich die Jobsuche des doch so gut ausgebildeten Nachwuchses über Monate hin zieht.

Die Veränderung der Arbeitsumstände geht Hand in Hand mit veränderten Lebensumständen: Das durchschnittliche Alter, in dem eine Frau heute ihr erstes Kind bekommt liegt bei 28,5 Jahren. In den 1980 er Jahren lag der Durchschnitt noch unter 25 Jahren. Damals wurde auch schon zwischen 20 und 25 geheiratet, heute erst um die 30.

Deswegen sei aber auch "Generation Praktikum" weder ein liebevoller Spitzname noch ein jugendliches Etikett, sondern es bezeichnet Berufseinsteiger, die trotz Job ihr Leben nicht finanzieren können. Bernhard Winkler klagt aber nicht nur an, er liefert auch Ideen und hält am Ende des Buches ein beinahe pathetisches Plädoyer gegen Politikverdrossenheit und für das Mitgestalten seiner Generation.

Bernhard Winkler formuliert 20 treffende Anklagepunkte der jungen Generation, eine Leseempfehlung vor allem für die Generation X und die Babyboomer – also für jene, die wirtschaftlich das Sagen haben.

Service

Bernhard Winkler, "Genug Gelogen! So nicht! Anklage einer verlorenen Generation. Ihr raubt uns unsere Zukunft", Kremayr & Scheriau Verlag, Wien