Februar 1934: Ein Zeitzeuge erzählt

Vor 80 Jahren - am 12. Februar 1934 - hat das austrofaschistische Regime unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Bundesheer auf Arbeiter schießen lassen. Heute gedenken die Spitzen von SPÖ und ÖVP gemeinsam der Ereignisse - und das ist ein ungewöhnlicher Schritt. Ein Zeitzeugen erzählt, wie alles gekommen ist.

Morgenjournal, 11.2..2014

Granaten auf Gemeindebauten

Alfred Hirschenberger war ein 15-jähriger Werkzeugmacher-Lehrling, als am 12. Februar die Maschinen in der Fabrik plötzlich stillstanden - weil das E-Werk gestreikt hat und den Stromabgeschaltet hat. "Somit sind auch die Straßenbahnen gestanden. Und ich vom Arsenal nach Floridsdorf zu Fuß heimgegangen." Also quer durch Wien über die Donau. Auch dort - in Floridsdorf - haben die Granaten aus den Bundesheer-Stellungen am Kahlenberg eingeschlagen, erinnert sich Hirschenberger. Eine davon traf ein Wartehäuschen der Straßenbahn - ein Toter.

Eines der über hundert an den Kämpfen unbeteiligten Todesopfer. Hirschenbergers 20-jähriger Bruder, der beim Schutzbund war, kam mit dem Schrecken davon. Zähneklappernd traf er am Abend wieder in der Gemeindebauwohnung ein - die der ganze Stolz der Arbeiterfamilie war: "Das Klo in der Wohnung! Parkettboden! Das war ja unbegreiflich!"

Gipfel der feindseligen Stimmung

Also kein Wunder, dass die Sozialbauten des Roten Wien angefangen beim Karl-Marx-Hof Ziele des Regimes waren - auch als der Aufstand längst blutig niedergeschlagen war und Schutzbundführer wie Karl Münichreiter, Koloman Wallisch und Georg Weissel standrechtlich erschossen. Zeitzeuge Hirschenberger: "Die Hahnenschwänzler haben die Wohnungstüren eingetreten. Drinnen haben sie alles zerstör unter dem Vorwand, dass sie Waffen suchen. Aus dem einzigen Grund, weil sie zeigen wollten: Jetzt haben wir das Sagen. "

Es war der Gipfelpunkt einer feindseligen Stimmung, in der sogar Ausflüge von Kindern nur mit Begleitschutz funktioniert hätten, erinnert sich Hirschenberger. Das vor 80 Jahren Erlebte lebt in ihm fort: "Die Ursachen, dass es so weit gekommen ist - sind die weg? Ich glaube nicht. Dabei geht es nicht darum, ob man die Gesellschaft wirklich verändern kann, sondern dass die Absicht oder die Vorstellung existiert." Und das sei bei den österreichischen Sozialdemokraten eher nicht der Fall, schreibt der 95-Jährige Floridsdorfer seiner Partei ins Stammbuch.

Buchtipp

Alfred Hirschenberger, "Eruption und Erosion", Berliner trafo-Verlag