"Kraftwerk" in der Burg

Ohne sie würde die Popmusik heute anders klingen. Anfang der 1970er Jahre revolutionierte die deutsche Band Kraftwerk die Musikszene. Ohne sie kein Hip Hop, ohne ihre Präzisionsrhythmen kein Elektro und auch kein Techno. Bei den Wiener Festwochen präsentieren Kraftwerk nun an vier aufeinanderfolgenden Tagen ihre Werkschau "Der Katalog".

David Bowie, Depeche Mode oder New Order - sie alle orientierten sich an Kraftwerk. 2014 erhielt die Band einen Grammy für ihr Lebenswerk. Kraftwerk Mastermind Ralf Hütter bezeichnet sich dennoch bescheiden als Musik-Arbeiter. Noch bis Sonntagabend gibt es Kraftwerk jeweils ab 19.00 im Wiener Burgtheater zu erleben.

Morgenjournal, 16.5.2014

David Baldinger hat mit dem interviewscheuen Ralf Hütter über die Vision von Kraftwerk gesprochen.

In den 1970er Jahren verschieben sich die tektonischen Platten des Planeten Pop. Ausgelöst durch einen maschinellen Energieschub mit dem Epizentrum in Düsseldorf: Kraftwerk. Deutschland war für die beiden Bandgründer Ralf Hütter und Florian Schneider musikalisch ausgetrocknet - Brachland. Mit Kraftwerk wollten sie dem eine neue Volksmusik entgegensetzen. Eine Volksmusik, deren Rhythmus im Einklang mit dem Puls der Moderne vibrierte.

Während ABBA noch Waterloo singen und der erste erfolgreiche Heimcomputer auf den Markt kommt veröffentlichen Kraftwerk 1974 Autobahn. Mit dem Album gelingt es dem studierten Architekten Hütter seine musikalische Vision umzusetzen. Aus zerstückelten Melodiefragmenten und selbstgebastelten Synthesizern entwirft er völlig neue Klangskulpturen, seine eigene Volksmusik des Alltags.

Rock-Puristen sind vor den Kopf gestoßen

Vor allem in Amerika sorgt der teutonische Techno-Pop für Stirnrunzeln. Die Monotonie des Reisens, der einlullende Sog eines Zugs, der über die Gleise rattert - das sind Dinge die Kraftwerk inspirierten. Transeuropa Express heißt das Album aus dem Jahr 1977.

Die Mensch-Maschine findet für Kraftwerk auch im Fahrrad ihren Ausdruck. Kraftübertragung durch Drehmoment - eine unmittelbare Symbiose aus Mensch und Technik. Tour de France Soundtracks heißt 2003 dann auch Kraftwerks größte Hitsingle.

Zeitloser Maschinen-Soul

Kraftwerks Songtitel, ihr Bühnenauftreten alles wirkt wie aus industriellen Schablonen gepresst. Dass auch die Beach Boys zu ihren Einflüssen zählen, mag überraschen. Bei Kraftwerk surfen die Harmonien eben nicht über kalifornische Wellen, sondern über metallene, deutsche Beats. Satt einer Postkarte aus Kalifornien senden sie eine aus dem Ruhrgebiet.

Im Burgtheater liefern Kraftwerk zeitlosen Maschinen-Soul. Die vier Musiker wirken wie humanoide Diener des Sounds inmitten ihrer eigenen 3 D Projektionen. Am Ende verneigen sie sich im Rampenlicht mit höflichem Knicks. Und Ralf Hütter scheint auch mit 67 noch genug Energie zu haben, um die Turbinen noch einmal hochzufahren. An einer neuen Platte werde gearbeitet.