Volksanwaltschaft kritisiert Polizeieinsatz

Nach Ausschreitungen bei einer Demonstration linker Demonstranten heute vor einer Woche, steht die Wiener Polizei neuerlich in der Kritik. Beobachter kritisieren, sie habe eher eskalierend agiert, also zur Aufheizung der Stimmung beigetragen als deeskalierend. Nun ist Ö1 der Bericht der Volksanwaltschaft über den Polizeieinsatz beim Akademikerball im Jänner zugespielt worden.

Morgenjournal, 24.5.2014

Bericht über Polizeieinsatz

Zahlreiche Kritikpunkte aber auch zwei positive Absätze stehen in dem achtseitigen Bericht von Volksanwalt Peter Fichtenbauer an die Innenministerin. Zunächst das Positive: Die einzelnen Beamten hätten meist professionell reagiert auf Provokationen - etwa wenn sich Demonstranten an Schutzschilde gelehnt oder Polizisten lächerlich gemacht haben. Und Festnahmen seien korrekt abgelaufen. Aber kritisiert wird unter anderem übertriebener Pfefferspray-Einsatz nahe dem Parlament. Eine Volksanwaltschafts-Delegation hat beobachtet: "Gegen die bereits zurückweichenden Demonstranten, die wegen der großen Menschenmenge nicht schneller zurückweichen konnten, sei Pfefferspray eingesetzt worden"

Einkesselung von Demonstranten nicht nachvollziehbar

Es stelle sich die Frage, ob der Pfefferspray-Einsatz verhältnismäßig war. Zuvor hatten Demonstranten eine Bank in Richtung der Polizei-Kette geworfen. Zitat: "Es ist für die Volksanwaltschafts-Kommissionen nicht nachvollziehbar, warum nicht mit der gezielten Festnahme der gewaltbereiten Demonstranten sondern mit der Einkesselung von 150 bis 200 Personen reagiert worden ist." Und anders als vorgesehen seien bei drei stundenlangen Umzingelungen beziehungsweise Einkesselungen die Betroffenen nicht oder kaum über Lautsprecher informiert worden, wie lange sie in ihrer Freiheit eingeschränkt werden.

Bitte von Frau wurde ignoriert

Eine Menschenrechtsdelegation der Volksanwaltschaft hat auch eine weinende junge Frau getroffen: "Grund sei gewesen, dass sie die Polizisten eindringlich gebeten habe, den Kessel verlassen zu dürfen, um auf die Toilette zu gehen. Ihre Bitte sei ignoriert worden, wodurch sie gezwungen gewesen sei, auf den Boden zu urinieren. Umso unverständlicher sei es für sie gewesen, dass sie deshalb wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angezeigt worden sei."
Die Identitätsfeststellungen der hunderten Eingekesselten haben laut Volksanwaltschaft viel zu lange gedauert, und zwar weil es nicht genug Polizeicomputer gab. Bis nach Mitternacht wurde die Akademie der bildenen Künste abgeriegelt, die eigentlich ihren Tag der offenen Tür begangen hat. Zitat: "Wegen fünf Demonstranten, die angeblich Sachbeschädigung begangen haben, seien 200 Personen mehrere Stunden im Gebäude angehalten worden."

Kritik an mangelnder Deeskalation

Die zentrale Kritik der Volksanwaltschaft lautet: "Warum wurde nicht mehr auf die bei der Fußball-Europameisterschaft so erfolgreiche 3D Deeskalationsstrategie gesetzt?" Also auf Dialog, Deeskalation und Durchgreifen, erst wenn es anders nicht mehr geht. Die Volksanwaltschaft habe keine aktiv deeskalierende Kommunikation wahrgenommen.
Von Innenministerium und Wiener Polizei ist vorerst keine Reaktion auf diese Kritik zu bekommen. Die Polizei hat selbst auch den gesamten Akademikerball-Einsatz evaluiert - inklusive der umstrittenen Platzsperre und dem eher erfolglosen Vorgehen gegen Zerstörung und Vandalismus in der Innenstadt. Das Ergebnis der polizeiinternen Evaluierung ist aber noch nicht bekannt.