Wahlmotive: Innenpolitik war kaum Thema
Noch bei keiner der bisher fünf Europawahlen seit 1996 war die Unzufriedenheit mit der Regierung so groß wie diesmal - und dennoch standen innenpolitische Wahlmotive gestern nicht im Vordergrund. Das ergibt eine Analyse des Wahlforschers Fritz Plasser, der mit seinem Kollegen Franz Sommer auch ganz erstaunliche Erkenntnisse über die Nichtwähler gewonnen hat - die gestern wieder die Mehrheit stellten.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 26.5.2014
Nichtwähler nicht nur EU-Gegner
Die Wahlanalyse von Fritz Plasser stützt sich auf eine Vorwahltagsbefragung von GfK Austria unter 1.100 entschlossenen Wählern und 400 entschlossenen Nichtwählern. Letztere haben ihre Wahlenthaltung zu dreißig Prozent damit begründet, dass die EU-Wahl sinnlos sei und nichts ändere, knapp zwanzig Prozent der Nichtwähler sind mit der EU-Politik unzufrieden. Aber nicht alle Nichtwähler sind EU-Gegner, bei den Unter-30-Jährigen sind das nur ein Fünftel. Fritz Plasser: "Was ich damit andeuten möchte: Es wäre verfehlt oder irreführend, jene über fünfzig Prozent, die sich nicht an der EU-Wahl beteiligt haben, pauschal als EU-Gegner und Euro-Pessimisten anzusehen."
Was Nichtwähler und Wähler eint, ist der Zorn auf die Regierung. Die Unzufriedenheit war noch nie so groß. 69 Prozent der Wähler und 75 Prozent der Nichtwähler sind mit der Arbeit der Koalition unzufrieden: "Interessant für uns und auch aufschlussreich ist, dass sich hier Wähler und Nichtwähler gar nicht so deutlich unterscheiden", sagt der Wahlforscher.
Unzufriedenheit kein Entscheidungsgrund
Plasser ortet außerdem eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Wählern und Nichtwählern: Die Unzufriedenheit sei zwar da, stand bei der Wahlentscheidung und bei der Entscheidung fürs Nichtwählen aber nicht im Vordergrund. Nur acht Prozent der Nichtwähler gaben Protest gegen die Regierung als Motiv an.
Am stärksten ist das Protestmotiv mit dreißig Prozent noch bei den FPÖ-Wählern ausgeprägt, die aber auch die ausländer- und EU-kritische Linie der Partei schätzen. Immerhin ein Viertel der NEOS-Wähler haben Unzufriedenheit als Wahlmotiv angegeben, aber nur elf Prozent der Grün-Wähler. Bei den Grünen ist deren Umweltpolitik das wichtigste Wahlmotiv gewesen.
Karas-Effekt bei ÖVP, Stammwähler für SPÖ
Und bei der ÖVP sieht Fritz Plasser einen klaren Karas-Effekt: "Otmar Karas und das Abschneiden der ÖVP sind für mich eine Art Gegenbeweis: Wenn man wirklich daran glaubt, und wirklich konsequent versucht, proeuropäische Politik zu vermitteln, ist man nicht chancenlos." 13 Prozent der ÖVP-Wähler nannten den Spitzenkandidaten als entscheidendes Wahlmotiv, ein hoher Wert, sagt Plasser.
Die Angaben zur SPÖ wiederum würden zeigen, wie sehr offensichtlich der SPÖ-Wahlkampf zur Europawahl als Stammwählerwahlmobilisierung angelegt und auf Kerngruppen fokussiert durchgeführt worden sei. Die Europapolitik der SPÖ habe bei den Wahlmotiven praktisch keine Rolle gespielt, und Spitzenkandidat Eugen Freund sei nur für fünf Prozent der SPÖ-Wähler entscheidend gewesen.
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