Politologe Pelinka: Europa ist nicht gespalten

Trotz Rechtsrucks in einigen Ländern sieht der Politologe Anton Pelinka vorwiegend die proeuropäischen Kräfte als Wahlgewinner. Schuld am guten Abschneiden der Rechtspopulisten und Nationalisten seien oft die nationalen Regierungen. Sie seien im Vorfeld der Wahl auch zu defensiv aufgetreten. In Zukunft muss sich die Union laut dem Politologen wohl zwischen Bundesstaatlichkeit und Nationalismus "durchwurschteln", sagt Anton Pelinka im Ö1-Morgenjournal.

Anton Pelinka im Studio

ORF

Morgenjournal, 26.5.2014

Politologe Anton Pelinka im Gespräch mit Andrea Maiwald

Kein gespaltenes Europa

Hinsichtlich der Gefahr durch die Rechtspopulisten müsse man Unterschiede machen, meint der Politologe Anton Pelinka. Einerseits bestünde eine Gefährdung der EU durch nationale Regierungen, die sich durch Erfolge wie etwa die der United Kingdom Indepence Party in Großbritannien verleitet sehen könnten, stärker antieuropäisch zu agieren. Auf der anderen Seite könnte die Fraktionsbildung der Rechtspopulisten und Nationalisten durch ihre Anti-EU-Haltung zum Problem werden. Aber eine unmittelbare Gefährdung der Union sei nicht gegeben, so Pelinka.

Gespalten sei Europa nach der Wahl dennoch nicht, meint der Politologe. Insgesamt sei insgesamt in vielen Ländern ein proeuropäisches Ergebnis zu beobachten. Eine Spaltung entlang der oft zitierten Nord-Süd-Konfliktlinie sieht der Politologe nicht.

Nationalregierungen schuld am Rechtsruck

Die rechte Fraktion innerhalb der EU habe internes Konfliktpotential mitzutragen, aber ihre Chance sei der gemeinsame Feind Europäische Union. Aber die Gegensätze zwischen Niederländern, Briten oder Franzosen würden es verhindern, dass nationale Bestrebungen gänzlich hinter die gemeinsame Front gegen die Europäische Union zurücktreten.

Schuld am Rechtsruck sind für Anton Pelinka primär die nationalen Regierungen, besonders deutlich sei das in Frankreich zu beobachten. Die sozialistische Regierung habe die Franzosen massiv enttäuscht, sie habe auch die Illusion erweckt, dass eine französische Regierung im nationalen Alleingang die Bedingungen in Frankreich quasi im Alleingang verbessern könne, etwa in Sachen Arbeitslosigkeit. Die Franzosen hätten auf eine zu nationale Karte gesetzt, was schlecht angekommen sei und damit den echten Nationalisten die Tür geöffnet habe, so Pelinka.

Kein offensives Auftreten der Regierungen

Die insgesamt vorwiegend proeuropäischen nationalen Regierungen waren ängstlich und haben vor der Wahl eine Defensivhaltung in Sachen antieuropäische Vorurteile und Populismus eingenommen, sagt der Politologe Anton Pelinka. Sie hätten nicht deutlich gemacht, dass man sich informieren müsse. Prinzipiell würde sich jedoch zeigen: Je besser gebildet und je jünger die Menschen seien, desto weniger anfällig seien sie für populistische Antieuropaparolen.

Die EU stehe sich aber teilweise auch selbst im Weg, etwa dann, wenn sie etwa das Mehrstimmigkeitsrecht im Rat nicht mehr betone, sagt Anton Pelinka. Das sei wichtig, um Vetomächte überspielen zu können. Entscheidend werde dieses Problem auch in der Frage des Kommissionspräsidenten, so der Politologe.

Gemeinsames Europa statt mehr Nationalisierung

Die Armutszuwanderung nach Europa sei keine Gefahr, sagt Anton Pelinka, aber sie sei ein Problem – wenn nämlich die sozialen Netzwerke, die ja grundsätzlich weiterhin national finanziert würden, auch für Menschen zur Verfügung gestellt werden müssten, die aus logischer Überlegung von ärmeren in reichere Gebiete kommen würden. Die Antwort ist für Pelinka hier eine Entnationalisierung statt einer Renationalisierung.

Im Wahlergebnis sieht Anton Pelinka keine große Weichenstellung. Auf der einen Seite sei eine Strategie der langsamen Schritte in Richtung verstärkter Bundesstaatlichkeit erkennbar, auf der anderen Seite Tendenzen einer ängstlichen Renationalisierung, wie sie von den rechtspopulistischen Parteien vertreten wird. Dazwischen werde sich die Union „durchwurschteln“, so der Politologe Anton Pelinka.

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  • EU-Wahl 2014