Nach Hochwasser: Flüsse brauchen Platz

Seit dem Hochwasser 2013 werden in Österreich Schutzmauern aufgezogen, Dämme und Rückhaltebecken gebaut. Finanziert wird das mit der Hochwassermilliarde: jährlich stehen 200 Millionen Euro zur Verfügung, und das für die nächsten fünf Jahre. Trotzdem würden sich Überflutungen nie ganz verhindern lassen, dämpfen Experten die Erwartungen: Die Flüsse brauchten einfach mehr Platz.

Mittagsjournal, 30.5.2014

Vergessen setzt nach zwei Jahren ein

So bizarr es klingt: Das Hochwasser aus dem Jahr 2013 hatte auch etwas Positives. Die Politik müsse nämlich von Zeit zu Zeit daran erinnert werden, dass in Hochwasserschutz investiert werden muss, sagt Helmut Habersack, Professor für Wasserbau an der Universität für Bodenkultur Wien.

"Es gibt mittlerweile leider den Begriff des Erinnerungshochwassers: Man sagt, es ist anscheinend erforderlich, dass wir auch wieder daran erinnert werden, wenn es lange kein Hochwasser gegeben hat." Die Vergessenskurve setze bereits nach zwei Jahren ein, aus Sparüberlegungen gebe es dann meistens Mittelkürzungen beim Hochwasserschutz.

Menschen fühlen sich hinter Dämmen zu sicher

Seit Jänner 2014 sind in Österreich 60 Millionen Euro in den Hochwasserschutz geflossen: In Schärding wurde eine Stahlbetonmauer aufgezogen, in Kössen in Tirol wurde eine neue Dammanlage errichtet. In Krems in Niederösterreich wurden 10 Millionen Euro in den Hochwasserschutz gesteckt.

Dieser Schutz sei zwar wichtig, aber auch oft trügerisch, sagt Heinz Stiefelmeyer, Leiter der Abteilung Schutzwasserwirtschaft im Umweltministerium. Die größte Gefahr dabei sei, dass sich die Menschen hinter den Dämmen zu sicher fühlen würden. "Wir versuchen mit der Ausweisung des Restrisikos zu vermitteln, dass dem nicht so ist: dass mit der Errichtung eines Dammes nicht geglaubt werden darf, dass dann absolute Sicherheit gegeben ist."

Fehlende Überflutungsgebiete: "Fünf vor zwölf"

In Österreich gelten sieben Prozent der Flussufer als besonders gefährdet. Das sind 23.000 Kilometer. Stiefelmeyer appelliert an die Eigenverantwortung der Menschen. Man müsse am eigenen Haus überprüfen, ob man gegen eindringendes Wasser geschützt sei und ob etwa auch Heizanlagen entsprechend gesichert sind.

Was aber weder vom eigenen Risikobewusstsein noch von Hochwasserschutz gelöst werden kann, ist das Problem der fehlenden Überflutungsflächen, sagt Helmut Habersack von der Universität für Bodenkultur. Am Inn seinen bereits 30 Prozent des Grünlandes verbaut, die Gebiete der Donau und der Raab entlang seinen genauso betroffen. "Wir sollten in Österreich maximal zwei bis drei Hektar pro Tag verbauen, das tun wir aber nicht: Wir schneiden um die zehn Hektar pro Tag weg." Im Fall eines Hochwassers könne sich der Fluss dann nicht ausdehnen und würde ganze Siedlungen überfluten.

Überhaupt seien die Flüsse in Österreich zu eng reguliert und müssten aus künstlich errichteten Betonkorsetten befreit werden. Das sei beispielsweise an der Drau in Osttirol und Kärnten und der Mur passiert. Der Rest Österreichs müsse folgen. Habersack wörtlich: es sei fünf vor zwölf.