Fenstersturz aus Kinderheim: Vernachlässigung?

Beim Sturz aus einem Fenster eines kirchlichen Kinderheims in Wien hat ein zehnjähriges Mädchen vor knapp einer Woche schwerste Verletzungen erlitten. Jetzt bestätigt das Jugendamt, dass zum Zeitpunkt des Unfalls für eine Gruppe von zehn Kindern nur eine 75-jährige Nonne als Betreuerin anwesend war.

Mittagsjournal, 17.6.2014

Betreuungsverhältnis: eins zu zehn

Das zehnjährige Mädchen dürfte aus dem Badezimmerfenster der Wohngemeinschaft in dem Heim gesprungen oder gefallen sein - aus neun Metern Höhe. Sie hat Knochenbrüche an Kopf, Beinen und Becken erlitten. Die einzige anwesende Betreuerin, eine Nonne, war laut Jugendamt zum Unfallzeitpunkt in der Küche. Die 75-Jährige sollte auf insgesamt zehn Kinder aufpassen. Martin Dohnal, Anwalt der Mutter des Kindes kritisiert, dass ein Betreuungsverhältnis von eins zu zehn bei behinderten Kindern eine gröbliche Vernachlässigung ist.

Der Anwalt fordert nun entsprechende Ermittlungen gegen die kirchliche Einrichtung, nicht gegen die 75-jährige Betreuerin. Wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt die Polizei bereits. Jugendamtssprecherin Petra Mandl sagt zur Betreuungssituation: "Das ist nicht im Rahmen des Erlaubten. Bei uns ist das Pensionsalter zwischen 60 und 65 Jahren angesiedelt. Das sollte auch für private Einrichtungen gelten".

Zehnjährige stürzte aus Badezimmerfenster

Laut Jugendamt hätten zum Unfallzeitpunkt vor etwa 20 Uhr am Abend noch zwei professionelle Betreuerinnen anwesend sein müssen. Erst ab 20 Uhr dann eine, aber eine ausgebildete Sozialpädagogin. Am Abend hat sich, laut Jugendamtssprecherin Mandl, die eins zu zehn Betreuung beziehungsweise die eins zu acht Betreuung in städtischen Wohngemeinschaften bewährt. Dieser Fall sei allerdings ein Grund die eigenen Standards zu überdenken. "Momentan haben wir, weil auch das Personal nicht vorhanden ist, nicht die Möglichkeit am Abend mehr Personal einzusetzen", so Mandl. Zuletzt hat die Volksanwaltschaft kritisiert, dass in Heimen und Wohngemeinschaften zu wenige Betreuerinnen vorgesehen seien.

Noch einmal zurück zum Unfallhergang: Die Zehnjährige, die eine Entwicklungsstörung mit autistischen Zügen hat, soll schon öfters versucht haben nach Hause zu laufen. Am Abend des Unfalls soll sie um 19 Uhr 30 schon im Bett gewesen sein. Dann ist sie laut Jugendamt aber wieder aufgestanden und ins Badezimmer gegangen. Dort soll sie zum Fenster geklettert sein und es geöffnet haben. Das Fenster war offenbar nicht versperrt, kritisiert Anwalt Dohnal und die Jugendamtssprecherin sagt: "Das ist standardmäßig vorgesehen, dass alle Fenster Kindersicherungen haben".

Vorwürfe der schweren Körperverletzung

Auch Vorwürfe, in dem Heim würden Kinder von einzelnen Betreuerinnen geschlagen, werden nun laut. Die Zehnjährige soll das im Spital erzählt haben. Und der Anwalt Alexander Krasser hat eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung gegen eine Erzieherin erstattet. Es geht um einen Buben, der ebenfalls in einer Wohngemeinschaft in dem Heim untergebracht ist. Die Vorwürfe, die von seiner Mutter erhoben wurden, sind vorerst aber weder von der Polizei noch vom Jugendamt überprüft. Das Heim St. Rafael wollte bisher keinerlei Stellungnahme abgeben.