Auch Experten fordern: Weg mit Sonderschulen

Die gut 300 Sonderschulen in Österreich sollen rasch abgeschafft werden, genauso wie das Etikett "sonderpädagogisch förderwürdig" für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Dieser Forderung des Behindertenanwalts Josef Buchinger im gestrigen Mittagsjournal schließen sich heute Experten für Inklusion an: Sie fordern mehr Tempo von der Regierung.

Morgenjournal, 8.8.2014

Umstellung sofort möglich

2008 hat Österreich die UN-Behindertenrechts-Konvention unterschrieben. Und deshalb müssten die Sonderschulen endlich weg, sagt Marianne Schulze, die Vorsitzende des Monitoring-Ausschusses, der die Einhaltung der Konvention überprüft: "Aus Sicht der Konvention gibt es keine Notwendigkeit für eine Sonderschule. Sie ist diskriminierend, weil sie einzig auf das Merkmal oder Kriterium der Beeinträchtigung abstellt, und das ist konventionswidrig."

Schulze sieht die Regierung am Zug. In ihren Augen kann es auch ganz schnell gehen mit einer Abschaffung der Sonderschulen: "Mit dem entsprechenden politischen Willen sehe ich nicht, warum das nicht im September 2015 möglich wäre. Damit erteilt die Expertin dem Zeitplan der Regierung eine Absage. Denn dieser sieht bis 2020 flächendeckend Modellregionen vor - ab dann soll es fast nur noch Schulen in Österreich geben, an denen Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam unterrichtet werden. Schulze meint hingegen, "wir brauchen keine Pilotprojekte mehr, Es gibt hinreichend Beispiele dafür, wie es in der Praxis geht." Jetzt gehe es um konkrete Schritte. Als Vorbilder nennt Schulze zum Beispiel Finnland und Südtirol, dort sei es gelungen, Sonderschulen von heute auf morgen abzuschaffen.

Umdenken bei Lehrerbildung und Schulbau

Beseitigt werden solle in Österreich auch das Kriterium des "sonderpädagogischen Förderbedarfs" - das sei ein Stigma und ein Widerspruch zu einer inklusiven Pädagogik, wo man von einem "individuellen Förderbedarf" spreche, sagt auch der Präsident der Lebenshilfe, Germain Weber. Die neue Lehrerbildung sei hier der richtige Weg, weil künftig alle Studentinnen und Studenten Basiswissen über Inklusion erwerben. Das reiche aber nicht, sagt Weber: Die angehenden Lehrer müssten auch besser auf spezielle Förderung in Fächern wie Mathematik oder Englisch vorbereitet werden.

Und viele Schulen müssten erst umgebaut werden, damit die Integration von Schülern mit besonderen Bedürfnissen wirklich funktioniert. Es gehe darum, dass Kinder zu mehr Chancen kommen, die bisher im Bildungssystem zu kurz gekomm,en sein, so Weber. Im vorigen Schuljahr wurden rund 30.000 Schüler und Schülerinnen als förderwürdig eingestuft, die Hälfte besuchte eine Sonderschule.