Hito Steyerl über Kunst und Krieg

In der südtürkischen Stadt Mardin hätte gestern die dortige Kunstbiennale beginnen sollen. Wegen der Kämpfe im nahen Syrien wurde die Veranstaltung jedoch auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die deutsche Künstlerin und Filmemacherin Hito Steyerl, die mit den Veranstaltern in Kontakt war, hat sich dennoch in die Grenzregion begeben.

Mittagsjournal, 18.10.2014

In der türkischen Stadt Suruc, nur 15 Kilometer vom heftig umkämpften Kobane entfernt, machte sie sich ihr eigenes Bild von der Situation und dachte über die Rolle der Kunst in Zeiten der Krise nach.

An der türkisch-syrischen Grenze, in Sichtweite der umkämpften Stadt Kobane, bietet sich ein konfuses Bild: Ein Aufgebot von Militär und Polizei, Journalisten und tausende Protestierende aus dem ganzen Land seien vorort, berichtet Filmemacherin Hito Steyerl.

Viele versuchen, zurück nach Kobane zu kommen, um zu helfen oder in den Kampf zu ziehen - vergeblich: Für Zivilisten ist die Grenze geschlossen. Von einer Podiumsdiskussion in Istanbul ist Hito Steyerl direkt nach Suruc an der syrischen Grenze gereist. In der 100.000-Einwohner-Stadt haben zehntausende Flüchtlinge eine provisorische Bleibe gefunden - in Verwaltungsgebäuden, im städtischen Hochzeitssaal oder auch im Kulturzentrum, dessen Ausstellungshalle ausgeräumt wurde, um den Flüchtlingen Platz zu machen.

Lange schon beobachtet die Filmemacherin Hito Steyerl die Situation der kurdischen Bevölkerung. 2004 drehte sie einen Film über ihre beste Freundin Andrea Wolf: Diese war als Kämpferin aufseiten der PKK in die kurdischen Gebiete zwischen Türkei und Nordirak gegangen, wo sie getötet wurde. Wolf wurde zur Ikone in kurdischen Kreisen; die Umstände des Todes ihrer Freundin konnte Steyerl trotz größter Bemühungen aber nie herausfinden.

Für Steyerl ist es auch wichtig zu erfahren, wie es ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Kunstsektor geht und welche Strategien sie im gegenwärtigen Konflikt entwickeln.

Gestern hätte im nahegelegenen Mardin die Kunstbiennale eröffnen sollen. Dass das Festival nun auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, geschah nicht aus Angst, so die Veranstalter, sondern um den Aufschrei in Kobane noch stärker hörbar zu machen.