WIFO-Chef Aiginger: "Kein Grexit - Griechenland ist Brückenkopf Europas"

Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, plädiert dafür, dass Griechenland weiter internationale Hilfe bekommt. Das Land müsse sich aber grundlegend reformieren, der erste Schritt müsse von Griechenland geschehen. Den geplanten Kurs des linken Bündnisses Syriza - Favorit bei den morgigen Parlamentswahlen - lehnt Aiginger ab.

Karl Aiginger

APA/HERBERT NEUBAUER

Mittagsjournal, 24.1.2015

WIFO-Chef Karl Aiginger im Journal zu Gast bei Volker Obermayr

"Grexit ist nicht möglich"

Für WIFO-Chef Karl Aiginger ist Griechenland ein "Brückenkopf Europas, auf der einen Seite zum Mittelmeer nach Nordafrika zum arabischen Raum, aber auch zum Schwarzmeer-Raum." Europa sei umso stärker, je mehr es geschlossen sei und je mehr es gelinge, die Nachbarn in eine Kooperation zu bringen, so Aiginger im Journal zu Gast. Die Wirtschaft in Europa wachse nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr, in den Nachbargebieten um fünf Prozent.

Aber auch politisch gesehen sei es wichtig, dass Europa in die Nachbarländer ausstrahlt und von dort Nachfrage bekommt. "Politisch gesehen müssten sich unsere Nachbarn entscheiden, sich entweder an Europa zu orientieren oder sich eine neue Heimat zu suchen." Russland oder China könnten hier eine stärkere Rolle spielen.

Ein "Grexit", also ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone, ist laut Aiginger nicht möglich. "Griechenland könnte nur aus der europäischen Union austreten, ein Austritt aus dem Euro selbst ist nicht möglich." Hier würde die Geschlossenheit Europas verloren gehen, so Aiginger. Das hätte Auswirkungen etwa auf Serbien und den ganzen Balkan: "Wenn Griechenland wegbricht, dann hat auch Serbien keinen Grund, sich nach Europa zu orientieren. Man wird sich eher an Russland orientieren und dann hätten wir die geopolitische Situation, die wir zur Zeit der Balkan-Kriege oder vorher hatten."

Reformen dringend notwendig

Griechenland müsse sich reformieren, so WIFO-Chef Aiginger, das sei keine Frage. "Griechenland hat sich nicht überlegt, wo es in 10-20 Jahren stehen will, zum Beispiel als Labor für Solarenergie - oder mit Software-Zentren oder neuen Industrie-Zentren. Das wäre die Chance für Griechenland."

"Rückwärtsgewandt" nennt Aiginger die Politik der linken Oppositionspartei Syriza, die als klarer Favorit in die morgige Wahl geht. "Die Frage ist, ob Syriza nach dem Wahlkampf von ihrer populistischen Seite abrückt und ein vernünftiges Programm beginnt."

Griechenland müsse proaktiv Konzepte vorschlagen, etwa für Industrie oder "wie man Jugendlichen Arbeitsplätze gibt". Dann könnten die Griechen diese Konzepte für verschiedene europäische Programme einreichen. "Wenn man sieht, dass Griechenland auf Kurs ist, wird Europa sicher auch die Schuldpapiere von Griechenland kaufen und es wird eine Schuldenstreckung geben, dass also ganz langsam zu sehr niedrigen Zinssätzen zurückgezahlt wird."

EZB-Entscheidung: "Spät, aber richtig"

Aiginger befürwortet die Entscheidung der Europäischen Zentralbank EZB, die über den Kauf von staatlichen Schuldscheinen in großem Stil Geld in den Markt leiten und so die Konjunktur ankurbeln will. Diese Entscheidung sei spät, aber richtig: "Ich glaube, wir haben gesehen, dass man dann aus der Krise kommt, wenn man alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen schnell und engagiert macht. Nicht eine probiert und sagt, erst wenn sie nicht funktioniert, dann gehe ich zur anderen zu, sondern auf einmal mit drei Pfeilen schießt und die Reform auf drei Säulen aufbaut."

Zu diesen Säulen gehöre die Geldpolitik, so Aiginger. "Sie hat ihren letzten, größten und wirksamsten Pfeil verschossen. Ich glaube, es wird wirken. Der Euro wird an Wert verlieren, das belebt die Exporte. Durch das billige Öl ist eine zweite Wachstumsquelle entstanden, indem es einen Aufschwung geben kann." Wichtig sei aber auch, dass die europäische Politik Investitionen fördert und dass die nationale Politik ein besseres Steuersystem und eine bessere Ausgabenstruktur hat.