Causa Alijew: Offene Fragen

Vor genau zwei Monaten ist Rachat Alijew erhängt in seiner Gefängniszelle in Wien entdeckt worden. Bis heute sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen zur Frage, war es Selbstmord oder Mord?

Morgenjournal, 24.4.2015

Rachat Alijew hat vor seinem Tod Schlafmittel erhalten - im Gefängnis verschriebene Schlafmittel. Aber dass in seinem Blut auch kleine Mengen von nicht mehr zugelassenen Narkose-Mitteln - nämlich Barbituraten - entdeckt wurden - das dürfte tatsächlich ein falscher Befund bei einem ersten Schnelltest in Wien gewesen sein. So etwas soll öfters vorkommen.

Die toxikologischen Blut-Untersuchungen an der Innsbrucker Gerichtsmedizin haben keinen Hinweis auf Barbiturate erbracht, wird Ö1 aus mehreren Quellen bestätigt. Und in Einvernahmeprotokollen beschreibt ein Mithäftling mögliche Suizid-Gründe: Die Einsamkeit alleine in einer Zelle, den Tod von Aliyevs Vater und Vorwürfe von der Mutter einen Tag vor dem Tod. Er habe auf Englisch mit Aliyev gesprochen, sagt der Mithäftling. Zitat: "Aliyev hatte ein längeres Telefongespräch. Seine Mutter und Schwester machten ihn verantwortlich dafür, dass die Familie in Ungnade gefallen sei beim kasachischen Präsidenten und das zum Tod des Vaters geführt hätte. Als ich ihn traf, hatte Aliyev Tränen in den Augen."

Aliyevs Vater soll sozusagen aus Kummer gestorben sein. Aliyev selbst habe depressiv gewirkt und öfters erzählt, dass ihm das Alleinsein in der Zelle zu schaffen mache, so die Aussage des Mithäftlings. Die Justiz habe aber darauf bestanden, dass er in eine Einzelzelle verlegt wird. Zitat: "Anfang Februar erhielt Alijew die Genehmigung für einen Computer in seiner Zelle, damit er sich auf seinen Prozess vorbereiten kann. Zwingende Auflage der Justiz war, dass er alleine in der Zelle sein musste. Meiner Meinung nach war der Computer ausschlaggebend für den Selbstmord."

Allerdings konnte Alijew sich unter Tags frei bewegen auf der Krankenstation im Gefängnis, wo er untergebracht war. Und ein Gefängnispsychiater hat keine Selbstmordgedanken bemerkt. Er hat ausgesagt, "dass bei keinem Gespräch Anzeichen auf einen Suizid festgestellt werden konnten. Eher hatte Aliyev Zukunftspläne. Gespannt war er auf die bevorstehende Gerichtsverhandlung. Zuletzt habe ich Aliyev eine Woche vor dem Tod gesehen, er wirkte sehr gut gelaunt." Alijews Anwälte glauben auch nach wie vor nicht an einen Freitod.

Gefängnisverantwortliche hingegen waren und sind überzeugt, ein nächtlicher Mord in einer verschlossenen Zelle sei undenkbar. Die Spurensuche wurde nicht gerade erleichtert: So hat ein Justizwachebeamter die Mullbinde an der Alijew hing, lange vor dem Eintreffen von Kriminalisten durchgeschnitten - angeblich mit einem Brotmesser. Vor der Spurensicherung soll auch ein Pfarrer gekommen, hat Weihwasser versprüht und einen Rosenkranz auf Aliyev gelegt. Der soll zwar nicht streng gläubig gewesen sein, jedenfalls aber kein Christ. Er ist Mitte März nach muslimischem Ritus bestattet worden. Das endgültige Obduktions-Gutachten aus der Schweiz liegt aber noch nicht vor.