"Form Follows Vision" in der Kunsthalle Wien

Nicht die Funktion macht die Form, sondern die Vision bestimmt die Funktion. Diesem Leitsatz folgte der 1890 in Czernowitz geborene Architekt, Bühnenbildner und Möbeldesigner Friedrich Kiesler.

1926 emigrierte Kiesler und machte Karriere in den USA. Anlässlich seines 125. Geburtstages beschäftigt sich nun die Kunsthalle Wien mit dem Einfluss Friedrich Kieslers auf die zeitgenössische Kunst. Auf Einladung haben sich neun Künstler und Künstlerinnen der jüngeren Generation mit dem Erbe Friedrich Kieslers auseinandergesetzt.

Mittagsjournal, 26.5.2015

Friedrich Kiesler gestaltete Schaufenster für das noble New Yorker Kaufhaus Saks, entwarf multifunktionale Möbelskulpturen für Peggy Guggenheim und futuristisch anmutende Häuser. Der aus Österreich stammende Architekt gehörte zu jenen kreativen Alleskönnern, die über den berühmten Tellerrand schauen und sich darauf verstehen, Disziplinen auf kluge und neuartige Weise miteinander zu vereinen. In eine Kritikerschublade wollte Kiesler nie so recht passen - wohl ein Grund dafür, dass sein Oeuvre in der breiten Öffentlichkeit bis heute eher unbekannt ist.

"Die zeitgenössische Kunst hat seit einigen Jahren ein verstärktes Interesse an Friedrich Kiesler, weil er sich mit Ausstellungsdisplays auseinander gesetzt hat. Das heißt, er hat Ausstellungen gestaltet. Für Peggy Guggenheim hat er in den 40er Jahren eine spektakuläre Kulisse für ihre Sammlung entwickelt. Das war ein Anknüpfungspunkt der uns interessiert hat. Kiesler hat Ausstellungen gestaltet, die aufregend anders waren", sagt Vanessa Joan Müller, Kuratorin der Ausstellung "Function Follows Vision, Vision Follows Reality", eine Schau, die nicht zuletzt als Versuch verstanden werden muss, Kieslers Wirkungsmacht im Diskurs der zeitgenössischen Kunst herauszuarbeiten.

Ein kreativer Alleskönner

"Die Idee des so genannten White Cube, die heute alle Ausstellungshäuser dominiert, war etwas, was Kiesler überhaupt nicht interessiert hat. Er wollte eher so eine Art Ambiente schaffen, wo man auch einen sehr intuitiven Zugang zur zeitgenössischen Kunst entwickeln kann", so Kuratorin Vanessa Joan Müller. Skizzen und Entwürfe Friedrich Kieslers treten in der Ausstellung in einen Dialog mit zeitgenössischen Positionen: Unter anderem wird eine Arbeit der deutschen Künstlerin Nicole Wermers gezeigt. Sie lebt in London und ist in diesem Jahr für den renommierten Turner Prize nominiert. Im Raum ordnet Nicole Wermers Sitzmöbel von Marcel Breuer an, Klassiker der Moderne, clean, puristisch, reduziert und elegant. Über den Stuhllehnen hängen edle Pelzmäntel. Das wirkt so beiläufig wie einprägsam.

Private Territorien im öffentlichen Raum

"Die Arbeit passt zu Kiesler, da er sich in seinen Schaufensterdekorationen auch mit der Schnittstelle öffentlicher und privater Räume auseinander gesetzt hat. Meine Arbeiten nehmen ebenfalls diesen Moment in einem Café, oder in einem anderen öffentlichen Raum auf: Wenn zum Beispiel jemand seine Jacke über eine Stuhllehne hängt und damit im Prinzip diesen öffentlichen Raum einnimmt und privatisiert", sagt die deutsche Künstlerin Nicole Wermers. Sie funktioniert in ihrer Arbeit den Gebrauchsgegenstand Stuhl zu einer Skulptur um und tritt damit in die Fußstapfen Friedrich Kieslers, der seiner Zeit weit voraus war, als er für Peggy Guggenheim multifunktionale Objekte schuf, die als Sitzmöbel, Sockel und Skulptur dienten.

Die Ausstellung "Function Follows Vision. Vision Follows Reality", Friedrich Kiesler im Dialog mit Zeitgenossen wird heute Abend in der Kunsthalle am Karlsplatz eröffnet. Entstanden ist die Schau übrigens in Kooperation mit der Friedrich und Lilian-Kiesler-Stiftung.

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Kunsthalle Wien - Function Follows Vision, Vision Follows Reality

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