VfGH: Doppelresidenz rechtens

Kinder von getrennten und geschiedenen Paaren dürfen abwechselnd und je zur Hälfte bei Mutter und Vater leben. Diese Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof heute bekannt gegeben. Er hat eine gesetzliche Regelung, die diese "Doppelresidenz" eines Kindes verhindern sollte, zwar nicht aufgehoben. Aber der Verfassungsgerichtshof sagt: Wenn es für das Kindeswohl am besten ist, dann ist es schon mit der bestehenden Gesetzeslage möglich, dass das Kind abwechselnd bei Mutter und Vater lebt.

Mittagsjournal, 23.10.2015

Abwechselnd eine Woche bei der Mama, dann eine Woche beim Papa. Wenige aber immer mehr getrennt lebende Eltern einigen sich - auch auf Wunsch ihrer Kinder auf diese sogenannte Doppelresidenz. Die Gerichtsenate aber waren gespaltener Meinung, ob das auch erlaubt ist bzw. gerichtlich festgelegt werden kann. Nun sagt Verfassungsgerichtshofpräsident Gerhart Holzinger: dort wo das Kindeswohl das gebietet, könne eine derartige zeitlich gleichteilige Betreuung des Kindes durch beide Elternteile erfolgen. Die Gerichte können das auch in obsorgerechtlichen Verfahren dahingehend entscheiden.

Der Verfassungsgerichtshof beruft sich mit dieser Interpretation der Gesetzeslage auf die Kinderrechte und auf die Menschenrechtskonvention. Insbesondere aber auf einen Artikel des Justiz-Sektionschefs Georg Kathrein in einer Juristenzeitschrift. Dort hat Kathrein argumentiert: Wenn es im Sinne des Kindeswohl ist, müsse die Doppelresidenz möglich sein - trotz gegenteiliger Gesetzeslage. Und in zumindest einem Fall haben ein Bezirksgericht und das Landesgericht Wien eine Doppelresidenz bereits ermöglicht.

Verfassungsgerichtshofs-Präsident Gerhart Holzinger spricht nun allerdings von einer Einschränkung - was die Eltern betrifft. Einzige Ausnahme: die Eltern müssen sich auf einen Hauptwohnsitz des Kindes einigen.

Nicht klar vom Verfassungsgerichtshof geregelt bleibt, ob die Eltern auch je zur Hälfte die Familienbeihilfe beziehen sollen und ob Unterhaltszahlungen wegfallen, wenn die Eltern halbe-halbe machen bei der Kinderbetreuung.

Was die grundsätzliche Möglichkeit der Doppelresidenz betrifft aber schreibt der Verfassungsgerichtshof in eine Aussendung, dass es sich bei dieser Gesetzesinterpretation um eine verpflichtende Vorgabe handle.

Eine erste Reaktion gibt es von SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Sie spricht sich seit Jahren gegen die Möglichkeit einer gerichtlich festgesetzten Doppelresidenz aus und zeigt sich nun zufrieden, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass es wichtig sei dass jedes Kind einen Hauptwohnsitz hat.