Flüchtlingskrise: "EU stärker als diese Herausforderung"

Die Flüchtlingskrise hält die Europäische Union fest im Griff und stellt damit die europäische Politik auf eine schwere Probe. Man habe in diesem ersten Jahr der EU-Kommission nur Krisen gehabt, sagt Vizepräsident Frans Timmermans. Aber die EU sei stärker als diese Herausforderung: "Wenn wir diese Flüchtlingskrise bewältigen können, sind alle anderen Krisen ein Kinderspiel."

Frans Timmermans

Frans Timmermans

AP/GEERT VANDEN WIJNGAERT

Mittagsjournal, 5.12.2015

Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermanns im Journal zu Gast bei Tim Cupal

Wichtiger Dialog mit der Türkei

Der niederländische Sozialdemokrat Timmermans hält es für sehr wichtig, mit der Türkei im Dialog zu bleiben, nicht nur in der Flüchtlingskrise, sondern auch in Bezug auf Menschenrechte und Rechtsstaat. Zufrieden zeigt er sich, "dass es gelungen ist, ein Abkommen mit der Türkei zu haben".

Es sei allerdings notwendig, neben der Türkei auch Russland, den Iran und die USA an den Verhandlungstisch zu bringen. Man müsse, so Timmermans, über den Frieden in Syrien reden: "Wenn wir das nicht machen, dann wird es mit der Flüchtlingskrise auch nicht besser werden."

Zudem müsse man dafür sorgen, dass die Flüchtlinge in der Türkei, in Jordanien und im Libanon bleiben und nicht nach Europa kommen. Das könne man nur, wenn man die Verhältnisse in diesen Ländern verbessere, so Timmermans. Schulen, Arbeit und eine gute medizinische Betreuung seien dafür notwendig.

"Umverteilung besser regeln"

Timmermans streicht hervor, dass die Umverteilung ein Teil des Abkommens mit der Türkei ist. Dabei sei es wichtig, dass die Menschen nicht über Schlepper nach Europa kommen.

Die EU müsse in der Lage sein, die Flüchtlinge dort, wo sie sind, zu identifizieren und selber nach Europa zu bringen, so der Vizepräsident der EU-Kommission. Nur dann wisse man genau, dass man den richtigen Flüchtlingen helfe und nur so könne man verhindern, dass so viele Menschen im Mittelmeer ertrinken.

Absage an "Mini-Schengen"

Timmermans betont einmal mehr, wie wichtig es sei, die EU-Außengrenzen zu schützen. Dem Vorschlag des Eurogruppenchefs Jeroen Dijsselbloem, ein "Mini-Schengen" zu errichten, kann er nichts abgewinnen.

Verärgert zeigt sich Timmermans darüber, wie schleppend alles vorangeht: "Wir machen Fortschritte, aber viel zu langsam." Das führe dazu, "dass auch Leute in der EU unsere Asylpolitik nicht mehr unterstützen," so Timmermans. Dennoch glaubt er nicht an einen Zerfall der Europäischen Union: "Das Beste ist noch immer die Europäische Union. Etwas Besseres habe ich in der europäischen Geschichte noch nicht gesehen." Es sei wert, dafür zu sorgen, dass diese Flüchtlingskrise nicht dazu führe, dass die EU zerfalle.

Die Lage in der EU sei zwar ernst, aber "wenn wir diese Flüchtlingskrise bewältigen können, dann sind alle anderen Krisen ein Kinderspiel", so Timmermans.