Unterlinden-Museum in Colmar neu eröffnet

Das Unterlinden-Museum im elsässischen Colmar mit dem weltberühmten Isenheimer Altar von Mathias Grünewald ist am Wochenende nach drei Jahren Renovierungsarbeiten von Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande offiziell wiedereröffnet worden.

  • Isenheimer Altar von Mathias Grünewald

    Der Isenheimer Altar von Mathias Grünewald ist ein Prunkstück der Renaissance.

    APA/AFP/SEBASTIEN BOZON

  • Das Antoniterkloster aus dem 13. Jahrhundert

    Das Antoniterkloster aus dem 13. Jahrhundert

    APA/AFP/SEBASTIEN BOZON

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Kulturjournal, 26.1.2016

Mehr als 40 Millionen Euro hat die Renovierung des Museums gekostet. Die Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron haben das neue Haus konzipiert. Von der französischen, aber auch der internationalen Presse, wird das Werk in höchsten Tönen gelobt. So hat zum Beispiel die "New York Times" Colmar gerade deswegen auf die Liste der 100 wichtigsten Reiseziele auf der Welt gesetzt. Und das Publikum wird entdecken, dass das Unterlinden-Museum weit mehr ist als der Isenheimer Altar aus dem beginnenden 16. Jahrhundert.

Service

Musée Unterlinden
Herzog & de Meuron - Musée Unterlinden

FAZ - Seine keuchende Brust, sein heiliger Leib
The New York Times - An Old Alsatian Museum’s Modern Makeover

Das Herz von Unterlinden bleibt das einzigartige Antoniterkloster aus dem 13. Jahrhundert und die dortige Kirche, in der Grünewalds Altar mit seinen elf beweglichen Tafeln aus Lindenholz nun so großzügig wie noch nie präsentiert wird. Ein Altar, der Generationen von Besuchern sprachlos gemacht hat.

Grünewalds Isenheimer Altar

Das Werk zeigt einen Gekreuzigten mit grüner Haut, blauen Lippen, eiternden Wunden und einem Kopf, der enthauptet scheint; ein Werk, das auch dutzende Künstler, ob Beethoven oder Bacon, Otto Dix, Picasso oder Hindemith bewegt hat. Über das der französische Schriftsteller Huysmans schrieb, es betäube den Betrachter und reiße ihn mit, wie der Orkan einer entfesselten Kunst. Nicht zu vergessen ist die Wirkung auf den inzwischen hochdotierten zeitgenössischen Künstler Adel Abdessemed, der kurz nach seiner Flucht aus Algerien 1995 beim Trampen zufällig in Unterlinden vorbeigekommen war und 15 Jahre später vier Christusfiguren aus Stacheldraht hier ausstellen konnte.

Architektur des 13., 20. und 21. Jh.

Pantxika de Paepe leitet das Unterlinden-Museum. Über den Neubau sagt sie: "Wir haben das Kloster aus dem 13. Jahrhundert, ein Gebäude des 20. und ein anderes aus dem 21. Jahrhundert und die Architekten haben es geschafft, das Ganze zu verbinden. Wir haben zwischen den Gebäuden einen städtischen Platz, der von den Architekten neu gestaltet wurde und eine unterirdische Verbindung hat, wir haben eine extrem reichhaltige Sammlung, die wir endlich ans Licht holen konnten, weil die Ausstellungsfläche verdoppelt wurde, und wir haben eben auch dieses Meisterwerk, den Isenheimer Altar."

Die eigentliche Überraschung des neuen Museums ist in der Tat die Vielfältigkeit der modernen und zeitgenössischen Kunst, die hier mit Werken vergangener Jahrhunderte in einen Dialog treten kann - Bonnard, Leger, Delaunay, Soutine, Dix, Nicolas de Stael oder Soulages. Darunter auch ein echtes Kleinod, das bislang nur bei besonderen Anlässen gezeigt wurde: Eine Tapisserie aus dem Jahr 1976 nach Picassos "Guernica".

"Picasso war von dieser Technik fasziniert und hat dafür gesorgt, dass einer seiner Sammler, Nelson Rockefeller, den Auftrag dafür erteilte", erklärt die Direktorin, "Picasso hat mit der Künstlerin Jacqueline de la Baume Dürrbach einen Vertrag unterzeichnet über maximal drei Tapisserien." Das zweite Exemplar hängt heute bei der UNO in New York, das dritte befindet sich in Japan.

Menschen vor einer Tapisserie nach Picassos "Guernica"

Ein Kleinod in Colmar ist eine Tapisserie nach Pablo Picassos "Guernica"

APA/AFP/SEBASTIEN BOZON

"Ein enzyklopädisches Museum"

"Das Museum ist 1853 eröffnet worden und wird seitdem von einem privaten Verein, der Schongauer Gesellschaft, gemanagt. Und seit Anfang an spielt die Kunstgeschichte eine wichtige Rolle, es ist ein enzyklopädisches Museum geworden, mit archäologischen Werken von vor 7.000 Jahren bis hin zu Werken unserer Zeit - und das harmoniert jetzt", freut sich Pantxika de Paepe. "Die Archäologie ist im Kloster des 13. Jahrhunderts, der moderne Teil der Sammlung im Neubau und wir haben jetzt auch noch das Gebäude der ehemaligen städtischen Bäder, mit dem wir in die Zukunft schauen, wo wir Events, Performances, Konzerte etc. organisieren können, um ein wirklich lebendiges Museum zu haben."

Architekten gestalten lassen

Die Eröffnungsausstellung, eine besondere Art von Manifest, trägt den Titel "Handeln und Betrachten". Das Besondere dabei: die Direktorin hat ihre Gestaltung weitgehend den Architekten überlassen. "Ich hab ihnen gesagt: ‚Sie haben freie Hand. Ich möchte eine Ausstellung, die zeigt, dass dieses Museum in seinem Jahrhundert lebt und jede Art von Ausstellung zeigen kann.‘ Sie haben eine wunderbare Antwort geliefert und diesen immensen Raum ohne Barrieren belassen und diese Ausstellung reicht vom 15. Jahrhundert bis in unsere Tage - und das ist auch ein wenig meine Botschaft."

Pierre de Meuron, der Architekt, schwört in dieser Jahrhunderte alten, neu gestalteten und modernen Umgebung auf das Kontemplative: "Kontemplation hat für mich etwas Subversives entgegen dieser verrückten Produktionsrhythmen heutzutage. Man muss die Dinge leben lassen, nicht immer auf sie einwirken oder sich ihrer bedienen wollen. Man sieht doch, dass der produktivistische Wahnsinn etwas ganz und gar Zerstörendes hat."

Das neue Museum Unterlinden ist überzeugt, dass es seine Besucherzahl von bisher 200 auf jährlich 350.000 steigern wird und damit zu einem der wichtigsten französischen Museen in der Provinz werden dürfte.