Mitterlehner kritisiert Russland-Sanktionen

Unerwartet scharf kritisiert Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Sanktionspolitik der EU gegenüber Russland. Die Sanktionen seien politisch wirkungslos und wirtschaftlich schädlich, sagt Mitterlehner bei seinem Besuch in Moskau. Als eine Gegenbewegung zu den Sanktionen sieht er seine Bemühungen aber nicht.

Morgenjournal, 3.2.2016

Es ist ein Besuch, bei dem kein Wort der Kritik an Russland zu hören ist - nicht an der Annexion der Krim und auch nicht an der Rolle, die Russland im Konflikt in der Ostukraine spielt. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner erklärt zwar, er habe den Minsker Ukraine-Friedensprozess und auch das Thema Syrien gegenüber dem russischen Vizepremier Dmitri Kosak angesprochen, aber es ist klar: der Schwerpunkt dieser Reise ist nicht die Politik, Mitterlehner denkt vielmehr an die Wirtschaft und da wiederum schon an jene Tage, wenn die EU-Sanktionen gegenüber Russland nicht mehr in Kraft sind. Und statt Kritik an Russland ist dann von Mitterlehner Kritik an der Linie der EU gegenüber Russland zu hören.

Dass Österreich innerhalb der EU zu jenen Ländern gehört, die für eine eher nachsichtige Linie gegenüber Russland eintreten, ist kein Geheimnis - dass sich ein österreichischer Spitzenpolitiker die EU-Linie aber so klar und offen kritisiert, das ist aber doch neu. Die Gastgeber wissen es zu schätzen: Österreich hat sehr viel Verständnis für dieses Problem, sagt Vizepremier Kosak, bezugnehmend auf die Sanktionen. Hofft er, dass sich Österreich in der EU für Russland einsetzen wird? „Wir erwarten von keinem unserer Partner da Heldentaten. Wir respektieren die Abmachungen, die für Österreich in der EU gelten. Aber trotzdem hoffen wir auf ein gewisses Verständnis“.

Verständnis hat Mitterlehner jedenfalls bereits dafür aufgebracht, dass Kosak, der der österreichisch-russischen Handelskommission auf russischer Seite vorsteht, nicht wie ursprünglich geplant nach Österreich kommen darf. Kosak steht nämlich auf der EU-Sanktionsliste, da er innerhalb der russischen Regierung für die Integration der annektierten Krim in das russische Staatsgefüge zuständig ist, für ihn gilt deswegen ein Einreiseverbot in die EU. Mitterlehner ist aus diesem Grund nun nach Moskau gekommen, als Umgehung der Sanktionen will er das aber nicht gewertet sehen.


Aber erwartet Mitterlehner nicht Kritik der EU? Man habe es der EU mitgeteilt. Außerdem würde es auch Besuche etwa aus Frankreich und Bayern geben.

Die konkreten Ergebnisse der Reise: 26 Investitionsvorhaben mit einem Volumen von 4 Milliarden Euro werden vereinbart. Welche Art von Projekten das konkret sind, bleibt geheim. Inoffiziell zu hören ist aber, dass es sich mehr um Absichtserklärungen als um schon wirklich unterschriftsreife Vorhaben handelt. Und bei einem Projekt wird Mitterlehner dann doch konkreter: Österreich unterstütze den geplanten Ausbau der Ostsee-Gaspipeline Nordstream, das sogenannte Projekt Nordstream 2, ein Projekt freilich, gegen das es, wie Mitterlehner einräumen muss, noch Widerstand einiger EU-Länder und auch Bedenken der EU-Kommission.