Russland-Isolation aufgebrochen

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ist, begleitet von einer Wirtschaftsdelegation, zu einem zweitägigen Besuch in Moskau. Die Belebung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Russland ist das erklärte Ziel der Reise. Es ist in Zeiten der Sanktionen gegenüber Russland ein politisch heikles Vorhaben. Allerdings ist er nicht der erste EU-Politiker, der in Moskau zu Besuch ist.

Wladimir Putin

AFP/SPUTNIK/ALEXEI DRUZHININ

Mittagsjournal, 2.2.2016

Aus Moskau,

An Moskau führt nichts vorbei

Die internationale Isolierung zu überwinden - das ist zur Zeit ganz sicher eines der Hauptziele der russischen Politik. Erreichen will der Kreml dieses Ziel freilich nicht unbedingt, indem es allen Wünschen des Westens entgegenkommt, im Gegenteil: Wladimir Putin lade die westlichen Politiker zur Versöhnung ein - ohne seine eigenen Fehler einzugestehen, so hat vor kurzem die russische Wirtschaftszeitung "Wedomosti" den Politik-Ansatz des Präsidenten beschrieben.

Auch mit seinem militärischen Eingreifen in Syrien verfolgt der Kreml nach Ansicht russischer Politologen vor allem ein Ziel, nämlich nicht so sehr den Kampf gegen den Terrorismus und auch nicht so sehr die Einflussnahme auf das Geschehen in Syrien selbst, sondern an erster Stelle die Rückkehr Russlands als wichtiger Spieler in die Weltpolitik, als Großmacht, die die anderen Länder nicht ignorieren können, mit der man verhandeln muss. Und - zumindest zum Teil - ist diese Strategie auch aufgegangen, ist man in Russland überzeugt.

Russische Spitzenpolitiker sitzen nun wieder mit am Tisch - bei den Syrien-Gesprächen in Wien etwa war das der Fall, auch US-Außenminister John Kerry war inzwischen schon zweimal in Russland zu Besuch, der französische Präsident Francois Hollande war Ende November in Moskau, um mit Putin über die Bildung einer Allianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zu verhandeln, und mit dem deutschen Außenminister Steinmeier verhandelt sein russischer Kollege Lawrow immer wieder über die Umsetzung des Minsker Ukraine-Friedensabkommens.

Wirklich isoliert ist Russland inzwischen also nicht mehr - einen Unterschied zwischen all diesen Treffen und dem heutigen Besuch von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gibt es aber doch: Bei den Treffen mit Kerry, Steinmeier oder Hollande ist es vor allem um Politik gegangen, um Syrien und die Ukraine, die österreichische Delegation ist hingegen in Moskau, um über die Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zu diskutieren. Was den Besuch zusätzlich heikel macht, ist, dass die schon länger geplante Tagung der östrreichisch-russischen Gemischten Kommission für Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit eigentlich turnusmäßig in Österreich hätte stattfinden sollen. Das ist aber unmöglich, da der russische Vorsitzende der Kommission, Vize-Premier Dmitri Kosak, auf der EU-Sanktionsliste steht. Und so haben sich die österreichischen Politiker und Wirtschaftsvertreter entschlossen, nach Moskau zu reisen. Zeitungen haben das als Umgehung der Sanktionen bezeichnet.

Ganz allein ist Österreich mit seiner auf einer Widerbelebung der Wirtschaftskontakte zu Russland zählenden Politik freilich nicht. Von den großen EU-Ländern hat vor allem Frankreich immer wieder Minister zur Pflege der Wirtschaftskontakte nach Moskau entsandt, so etwa erst vor einer Woche Wirtschaftsminister Macron. Macron hat sich in Moskau auch laut und deutlich für eine baldige Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Ein anderes großes EU-Land, das sich einen nicht allzu harten Kurs gegenüber Moskau wünscht, ist Italien. Die Kontakte zu Moskau werden im Falle Italiens aber nicht so sehr durch Besuche, sondern durch Telefongespräche auf hoher Ebene gepflegt.

Am anderen Ende des Spektrums steht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die erst gestern betont hat, dass die Bedingungen für die Aufhebungen der Sanktionen noch nicht gegeben seien. Wobei es in Deutschland gerade Aufregung über einen bevorstehenden Russlandbesuch gibt - für Donnerstag hat sich nämlich der gegenüber der Politik Merkels äußerst kritisch eingestellte bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in Moskau angesagt.