Essayfilm "Mobilisierung der Träume"

Schon vor mehr als hundert Jahren, als Telefon, Film und Fernsehen ihren Anfang nahmen, griff eine ungeheure Faszination um sich: Utopische Vorstellungen von grenzenloser Kommunikation kamen auf, gleichzeitig aber auch die Besorgnis über die Bewahrung von Privatsphäre und Moral. Der Essayfilm "Mobilisierung der Träume" versucht jetzt unsere heutige Verfasstheit durch einen Blick auf die damaligen Sehnsüchte und Ängste zu verstehen.

Das österreichisch-deutsche Regietrio Manu Luksch, Martin Reinhart und Thomas Tode hat dafür jahrelang die Archive durchforstet und erzählt die Geschichte einer Leidenschaft anhand von teils noch nie gezeigtem Filmmaterial: Eine Reise in die Epoche, als Raum und Zeit sich aufzulösen begannen.

Kulturjournal, 8.3.2016

Neue Technologien erfordern neue Verhaltensweisen. Als das Telefon aufkam, gab es deshalb auch Einschulungen in den richtigen Gebrauch. Wie sich die neuen Kommunikationsmittel im Denken des Einzelnen und in der Mentalität der Bevölkerung einnisteten, genau das habe sie interessiert, so Regisseurin Manu Luksch.

Fast zweihundert Ausschnitte montiert

Erzählt wird diese Mentalitätsgeschichte vor einem Kaleidoskop an Archivaufnahmen. Skurrile Zukunftsfantasien stehen da neben historischen Dokumenten, Bekanntes neben noch nie gesehenem Material. Eine jahrelange Suche in internationalen Archiven von Wien bis Moskau hat die Bildebene zu "Mobilisierung der Träume" geliefert. Fast zweihundert Filmausschnitte sind da intelligent und stimmungsvoll zu einer stringenten Erzählung montiert worden.

Orte & Sinne elektrifiziert

Sein heißt Verbundensein - das Credo unserer digitalen Gegenwart hat seine Wurzeln vor mehr als hundert Jahren. Und es ist erstaunlich, wie einige Science-Fiction-Autoren bereits im Fin de Siecle Erfindungen der Gegenwart wie etwa Skype und Videotelefonie vorweggenommen haben. Nicht nur ihre Ortschaften, heißt es im Film, auch die Sinne der Menschen wurden damals elektrifiziert.

Tilda Swintons Stimme

Der aus dem Off kommende Text erzählt von der Entstehung eines neuen Menschen. Dass einen der Vortrag so packt, liegt dabei nicht zuletzt an der auratischen Stimme Tilda Swintons. Dabei stand deren Mitarbeit trotz anfänglicher Zusage, lange in den Sternen, so Manu Luksch.

Auch die politische Bedeutung der neuen Kommunikationstechnologien spart der Film "Mobilisierung der Träume" nicht aus. Gerade das Laufbild wurde von allen politischen Lagern genutzt, um die Massen zu mobilisieren und zu manipulieren. So gaben sich die Nationalsozialisten zu den olympischen Spielen 1936 in Berlin noch den Anschein einer völkerverbindenden Macht.

Risiken und Nebenwirkungen

Mit den Risiken und Nebenwirkungen der Telekommunikation, allen voran der Gefahr der permanenten Überwachung hat sich Regisseurin Manu Luksch schon in ihrem Film "Faceless" auseinandergesetzt. Seit damals verschärft hat sich die Überwachung durch die Großkonzerne, die jedem Menschen eine digitale Parallelidentität verpassen und ihn anhand dieser in eine kommerziell erfolgreiche Zukunft lenken. Da bekommt das gute, alte Einkaufsnetz plötzlich eine ganz neue Bedeutung. Wie so vieles, nachdem man "Mobilisierung der Träume" gesehen hat.

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