Regisseur Bogomolov über Russland

Vergangene Woche wurde bei den Wiener Festwochen Oscar Wildes "Ein idealer Gatte" in der Adaption von Konstantin Bogomolov aufgeführt. Eine Performance, die in Russland für Furore sorgte: Aufführungen wurden von religiösen Gruppierungen gestört, und es gab Gerichtsverhandlungen wegen Verletzung religiöser Gefühle.

Trotz allem oder vielleicht gerade deshalb wurde sie zum Erfolg und läuft seit mittlerweile drei Jahren in Moskau. Aber wie kann man als Regisseur in Russland, in einem Umfeld voll von Einschränkungen arbeiten? Konstantin Bogomolov über seine Arbeit und die aktuelle Situation in Russland.

Zwei Schauspieler auf der Bühne, Szenenausschnitt

EKATERINA TSVETKOVA

Kulturjournal, 30.5.2016

Lydia Sprinzl

Service

Wiener Festwochen - Ein idealer Gatte

"Selbstzensur - die Wurzel allen Übels"

"Unter den Kunstschaffenden in Russland gibt es ein gravierendes Problem", sagt Regisseur Konstantin Bogomolov, "und das ist die Selbstzensur." Sie ist für ihn die Wurzel allen Übels. "Das Problem in Russland ist gerade, dass sich viele aus Angst zu einer gewisse Selbstzensur verleiten lassen. Autoritäten sagen: Mach das nicht! Wir werden es dir nicht verbieten, aber wir raten dir, es nicht zu tun. Und viele sagen dann: Ok, ich werde es nicht machen. Wären alle frei und würden sich trauen zu sagen: Es gibt keine Kompromisse, ich mache, was ich will, ich habe keine Angst vor Skandalen oder Konflikten, dann wäre die Situation besser."

Doppelleben der Mächtigen

Nicht nur das konservative Kulturministerium unter der Leitung von Wladimir Medinski führt zur Selbstzensur, auch russisch-orthodoxe Gruppierungen üben großen Druck auf Kulturschaffende aus. Doch Konstantin Bogomolov hat sich bewusst gegen die Selbstzensur und somit für den steinigeren Weg entschieden. Er bringt Themen wie Korruption und den Umgang mit Homosexualität in Russland auf die Bühne und zeigt auf, dass viele Autoritäten ein Doppelleben führen: Auf der einen Seite treten sie für Anti-Schwulen-Gesetze ein und auf der anderen Seite weiß jeder, dass sie selbst homosexuell sind.

"Das wahre Gesicht der Gesellschaft wird versteckt", sagt Bogomolov. "Das Problem ist, dass Russland sehr kindisch ist, wir benehmen uns nicht wie Erwachsene in all diesen Dingen. Wir sind sehr naiv, wenn es um die Homosexuellen-Thematik geht."

Obszöne Ausdrücke verboten

2014 wurde ein Gesetz erlassen, dass keine obszönen Ausdrücke in Büchern, Filmen und auf Bühnen verwendet werden dürfen. Bogomolov umgeht diese Einschränkung spielerisch: In seinen Aufführungen wird nie über Obszönitäten gesprochen, allerdings Handlungen zu sehen sind, die manche Menschen als obszön interpretieren würden. Die Presse schreibt über ihn, dass man in seinen Inszenierungen spüren kann, wie er die Autoritäten verhöhnt, und bezeichnet ihn als Moskaus berühmtesten Regisseur von kontroversiellen und extravaganten Stücken.

Er habe sich außerdem von einem 1A-Regisseur zu einem Rebellen und Radikalisten entwickelt. Es wird die Frage gestellt, ob hinter all der Provokation überhaupt etwas steckt. Genau diese Stimmen gefallen Bogomolov, denn sie sind Teil guter Arbeit. "Wenn du dir sagst, ich bin frei, dann wird dich niemand stoppen", davon ist der Regisseur überzeugt.

"Theater wollen Skandale"

Der Erfolg gibt ihm Recht: Seine Vorstellungen sind meist ausverkauft, er hat bereits mehrere Preise für seine Performances bekommen, unter anderem den Seagull-Theaterpreis für nicht-traditionelle Interpretation von klassischen Stoffen. Aber warum kann sich Konstantin Bogomolov so sicher sein, bei dem was er macht? Warum hat er überhaupt die Möglichkeit zum Erfolg unter solchen Bedingungen? Dahinter steckt laut ihm eine einfache Logik.

"Theater wollen Geld verdienen. Sie wollen Skandale, in der Zeitung stehen, im Fernsehen sein. Sie laden mich ein, weil sie wissen, dass die Dinge die ich mache, Reaktionen hervorrufen. Sie sagen zu den Autoritäten: Vielleicht gefällt euch das nicht, aber das was er macht, ist erfolgreich und wir brauchen Erfolg. Wir brauchen Leute, die in unser Theater kommen und über uns reden. Wenn ihr uns schon Geld gebt, weil ihr wollt, dass wir erfolgreich werden, dann gebt uns auch die Chance, Leute einzuladen, die erfolgreiche Dinge machen."

Politik lockert Vorgehensweise

Konstantin Bogomolov hat in der letzten Zeit eine Veränderung im Umgang mit Kunst- und Kulturschaffenden wahrgenommen. "Zwei oder drei Jahre lang war die Situation für Kunstschaffende sehr schwierig, aber zuletzt hat sie sich verbessert: Die Politik hat ihre aggressive Vorgehensweise und ihre konservative Haltung etwas gelockert. Sie versuchen zu liberaleren Zeiten zurückzukehren. Sie haben verstanden, dass diese konservative Art, alles Radikale zu stoppen, zu nichts führen kann."