Schauspielchefin Marina Davydova

Am 13. Mai beginnen die Wiener Festwochen. Diesjährige Schauspielleiterin ist die russische Theaterkritikerin und Festivalleiterin Marina Davydova. Sie spricht im Porträt über die Höhepunkte ihres Programms, ihre Auswahlkriterien und über die Freiheit des Theaters im heutigen Russland.

Marina Davydova

APA/HERBERT PFARRHOFER

Heute Vormittag gaben die Festwochen den Startschuss für den Kartenverkauf. Für den Intendanten Markus Hinterhäuser ist es das dritte und letzte Festwochenjahr. Dann wird er ganz nach Salzburg übersiedeln, wo er ab 2017 für die Festspiele verantwortlich zeichnet.

Kulturjournal, 28.4.2016

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Wiener Festwochen
Der Standard - Marina Davydova: "Wir sollten aufhören, nationalistisch zu denken"

Theater in Zeiten der Krise und Zensur

Der russische Präsident Vladimir Putin konnte heute endlich nach vielen Pannen und Verzögerungen seine Rakete erfolgreich in das Weltall starten. Es ist zu hoffen, dass das auch der Marina Davydova gelingen wird mit ihrem facettenreichen Schauspielprogramm. Wenn sie naturgemäß sonst wenig Vergleichsflächen mit dem russischen Präsidenten bietet, neue Universen des Theaters will sie auch entdecken, wenn sie nach den Auswahlkriterien für ihr Programm gefragt wird.

Davydova nimmt aber dann doch die Metapher von der Rakete auf und weist auf die Produktion "Solaris" nach Stanislaw Lem hin ,eine Koproduktion mit dem mazedonischen Nationaltheater in Skopje von dem ukrainischen Regisseur Andriy Zholdak, der in Berlin lebt und ein Kosmopolit ist wie Davydova selbst.

Von der Journalistin zur Chefin

Marina Davydova ist eine kleine, dunkelhaarige Frau, Jahrgang 1966. Gebürtig aus dem aserbaidschanischen Baku, das damals noch zu großen Sowjetunion gehörte. Sie hat Theaterwissenschaften in Moskau studiert und arbeite schon bald als Theaterkritikerin auch für große russische Tageszeitungen. Sie begründete ihr eigenes Theaterfestival und gibt ein Theatermagazin heraus, die Wiener Festwochen kennt sie schon lange als kommentierende Journalistin. Nun war sie für die Festwochen viel auf Reisen, ein Lebenszentrum hatte sie in den letzten zwei Jahren kaum.

Ausgewählt hat sie nach den ganz eigenen Kriterien und dem eigenen Geschmack sowie dem Wiener Publikum gemäß, denn selbst wenn man einen Skandal provozieren will, hängt es immer vom örtlichen Publikum ab, meint Davydova. Sie bringt eine Aufführung des Tschechow-Klassikers "Drei Schwestern", der allerdings völlig stumm gespielt wird. Inszeniert vom Regisseur Timofej Kuljabin, der mit seiner Aufführung des "Tannhäuser" in Novosibirsk für einen großen Skandal gesorgt hat und sogar zur Entlassung des Operndirektors geführt hat.

Die Behörden greifen ein

Der Fokus des Schauspielprogramms liegt gewiss auf russischem oder besser osteuropäischem Theater, wenn auch genug Produktionen etwa aus Deutschland, Griechenland oder England kommen. Das hat auch damit zu tun, dass als Davydova zu planen begann, die Ukrainekrise und die Besetzung der Krim alles überschatteten. Aber der "Tannhäuser"-Skandal war insofern wichtig, als kirchlich-orthodoxe Kreise dabei einen starken Einfluss hatten. Zum ersten Mal wurde ein Blasphemiegesetz angewendet und es kam zur offenen Zensur.

Normalerweise werde Zensur nur finanziell spürbar, durch Streichung von Subventionen, aber ein offenes Eingreifen der Behörden gegen Theaterproduktionen sei normalerweise nicht an der Tagesordnung, und auch in Russland durch Gesetze nicht legitimiert, sagt Davydova. Sie selbst hat aber auch schon oft Probleme mit Putins Beamten bekommen, etwa als sie eine Ausgabe ihres Theatermagazins der Theaterlandschaft in der Ukraine widmete, was sofort den Entzug der Förderungen nach sich zog.

Ästhetische Kriterien

Am wichtigsten seien für sie, sagt Davydova ästhetische Kriterien, bei ihrer Auswahl. Natürlich habe sie die aktuelle politische Situation einzubeziehen, aber oft werde man dadurch auch überholt, wie es jetzt etwa mit der Flüchtlings und Europaproblematik der Fall sei, aber auch diese Themen werden in den Produktionen angesprochen. Wenn man sie fragt, sie möge ihre drei persönlichen Lieblingsproduktionen des Programms auswählen, verweist sie nicht auf die osteuropäischen Gastspielen, sondern auf Simon McBurney, Jan Farbres "Mount Olympus", ein Zwölfstundenspektakel und die Produktion aus Griechenland.

Immer wieder hat Marina Davydova angedeutet, dass sie vielleicht eines Tage aus Russland werde emigrieren müssen, wenn ihre Arbeitssituation es nicht mehr zulasse dort zu leben, aber sie ziehe es vor, dort zu bleiben, wenn es möglich ist, für sie eine sehr sensible Frage.

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