Roman von Ferenc Barnas
Ein anderer Tod
Den Zerfall der Wahrnehmung und den Zerfall einer Lebenswelt setzt der Roman des ungarischen Autors Ferenc Barnas ebenso beklemmend wie suggestiv in Szene.
8. April 2017, 21:58
"Ein großer Erzähler Ungarns"
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Ferenc Barnas, "Ein anderer Tod", Roman, aus dem Ungarischen von Eva Zador, Nischen Verlag
Originaltitel: "Másik halál"
Der Ich-Erzähler, ein ehemaliger Universitätsdozent, wohnt in einer Einzimmerwohnung eines heruntergekommenen Jugendstilhauses in Budapest. Heruntergekommen ist dieses Haus schon im Kommunismus, und seither geht die Verwahrlosung weiter.
Zitat
Manchmal verwechsele ich, wo genau ich was sage, wenn überhaupt ich es sage, denn zuweilen habe ich das Gefühl, als sagte gar nicht ich das, sondern der andere. Ich und der andere. Falls nicht ich von vornherein der andere bin.
Vielleicht muss der 41-Jährige gerade deswegen seine Wohnung im vierten Stock vergittern lassen. Dort ist er eingebunkert, wird seit Jahren von niemandem besucht. Seiner Frau hat ihn wegen eines jüngeren Mannes verlassen.
Der Roman konzentriert sich keineswegs auf seinen aus dem Leben herausgefallenen Erzähler. Dessen psychische Probleme sind aufs Engste mit dem Zustand der ungarischen Gesellschaft verbunden. In seinen Monologen sind nicht nur die langen Schatten der ungarischen Nationalsozialisten, der Pfeilkreuzler, präsent, sondern auch die gleichfalls nicht aufgearbeitete kommunistische Vergangenheit.
Die Stärke des Romans "Ein anderer Tod" ist, dass er keine Diagnosen stellt: weder für die Gesellschaft noch für den Erzähler. Außerdem verfügt Ferenc Barnas über eine schmucklose und genaue Sprache - sowohl für die psychischen Zustände wie für die Reminiszenzen seines Erzählers und auch für das facettenreiche Bild von Budapest.