Streit wegen zu hoher Anwaltskosten

Bei den Rechtsanwaltskammern in Österreich gehen jedes Jahr rund 400 Beschwerden ein über angeblich zu hohe Anwaltshonorare. Die Kammern prüfen dann die Honorarhöhe. Für diese Honorarstreitigkeiten gibt es zwei Hauptgründe: Anwaltshonorare können einerseits auf drei völlig unterschiedliche Arten berechnet werden. Und entgegen den Empfehlungen der Anwaltskammern vereinbaren viele Anwälte ihr Honorar nicht schriftlich.

Morgenjournal, 19.09.2016

Vereinbarungen nur mündlich

Für rund sieben Stunden Gespräche mit einem Anwalt habe ihr dieser 9.500 Euro Honorar verrechnet, sagt eine Wiener Anwaltsklientin. Wobei der Anwalt nie in ihrem arbeitsrechtlichen Verfahren tätig wurde und nicht einmal einen Anwaltsbrief geschrieben hat. Denn die Klientin hat sich letztlich einen anderen Anwalt genommen. Begonnen haben die Gespräche mit einem Telefonat: "Ich habe ein Telefonat mit dem Anwalt geführt, habe über mich und meine Problemfelder gesprochen. Bei dem Telefonat wurde ein Stundenhonorar von 300 € genannt. Es hat sich dann herausgestellt, dass die Stunde des Ersttelefonats bereits 1300 Euro gekostet hat."

Laut dem Anwalt war zwar von der Möglichkeit eines 300 Euro Stundenhonorars die Rede aber er habe damals auch gesagt, grundsätzlich werde nach dem Rechtsanwalts-Tarifgesetz verrechnet. Und da gilt - je höher der Streitwert - in diesem Fall über 200.000 Euro - desto höher das Anwaltshonorar. Die 9.500 sind erstinstanzlich auch schon bestätigt durch das Bezirksgericht Mödling. Der Wiener Rechtsanwaltskammer-Präsident Michael Enzinger sagt: "Wir kennen solche Fälle immer wieder, weil die Honorarvereinbarungen entgegen den Empfehlungen sehr häufig nicht schriftlich geschlossen werden. Und wenn es nur mündliche Vereinbarungen gibt, gehen die Meinungen dann meistens auseinander, was konkret vereinbart worden ist. Das ist wahrscheinlich die Wurzel des Übels, dass Klient und Anwalt wahrscheinlich eine unterschiedliche Wahrnehmung hatten."

Im Jahr 2014 haben sich 423 Klienten an die Rechtsanwaltskammern gewandt, mit der Bitte um Prüfung von Honoraren, 2015 waren es 389 und heuer schon mehr als 200. Dass Anwälte Honorare nicht schriftlich vereinbaren, dürfte ein Grund sein, der zweite: sie können auf drei Arten verrechnen. 1. nach Stundenhonorar, 2. nach den Honorarkriterien der Kammern und 3. nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz. Kammerpräsident Enzinger: "Jede Honorardiskussion in der Öffentlichkeit ist ein Problem. Das ist bei den Ärzten nicht anders als bei den Ziviltechnikern und den Rechtsanwälten. Und es ist nicht schön, wenn Kollegen die Honorarmöglichkeiten ausreizen bis zur Grenze des rechtlich Zulässigen. Es ist nicht sehr schön aber ist in einem Bereich, wo es um geistige Leistungen geht, nicht immer verhinderbar."

In unserem Honorarstreitbeispiel entsteht der Eindruck, dass es auch um Kränkungen geht. Die Mandantin wollte möglichst wenig - nämlich dreimal 300 Euro zahlen, das dürfte dem Anwalt frech erschienen sein und er schrieb seine 9.500 Euro-Rechnung. Schließlich habe er einen Tag lang mit einem Mitarbeiter beraten über den arbeitsrechtlichen Fall. Inklusive Prozesskosten und Anwaltskosten für den Streit ums Honorar, muss die Klientin nun voraussichtlich 19.000 Euro zahlen.