Václav Havel wäre 80

Er zählte zu den prägendsten Figuren der politischen Wende in Osteuropa: Václav Havel, Schriftsteller, politischer Dissident und dann tschechischer Staatspräsident. Vor knapp fünf Jahren ist er gestorben. Heute anlässlich seines 80. Geburtstages wird vielerorts an Havel erinnert. Auch Österreich 1 öffnet sein Archiv.

  • Zwei Männer feiern

    Am 24. November 1989 feiern Alexander Dubcek und Václav Havel den Rücktritt der tschechoslowakischen KP-Spitze

    ASSOCIATED PRESS

  • Zwei Männer im Wald lachen in die Kamera

    Geheimes Dissidenten-Treffen an der tschechisch-polnischen Gernze am 26. Juni 1989. Das Schild im Hintergrung warnt vor einem Überqueren der Staatsgrenze

    AFP / picturedesk.com

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Morgenjournal, 5.10.2016

"Die Geschichte ist weitergegangen"

Das Jahr 1989 brachte die Wende - nicht nur für Osteuropa, sondern auch für das Leben von Václav Havel. Die Ö1-Reihe "Journal-Panorama" brachte am 7. Juni 1989 ein aktuelles Interview mit dem damaligen Dissidenten, der eben erst auf Bewährung aus der Haft entlassen worden war und eine politische Aufbruchsstimmung registrierte.

"In den vier Monaten, in denen ich im Gefängnis war, hat sich in unserer Gesellschaft viel verändert. Ich bin erst dabei, das Terrain zu sondieren, ich versuche erst, die Situation zu verstehen, aber schon jetzt, nach diesen paar Tagen, weiß ich, dass die Lage deutlich anders ist, als vorher, und dass die Geschichte viel mehr als nur um vier Monate weitergegangen ist", so Havel im Gespräch aus dem Jahr 1989, das neben anderen Interviews derzeit im Archiv über die Ö1-Homepage abrufbar ist.

Kurze Zeit später stand der Schriftsteller, der insgesamt fünf Jahre im Gefängnis verbracht hatte, mit seinem "Bürgerforum" an der Spitze einer Protestbewegung, die den Systemwechsel herbeiführte. Der politische Kampf Václav Havels hatte bereits mehr als zwanzig Jahre davor begonnen: 1967, im Vorfeld des Prager Frühlings, trat er erstmals als Kritiker der staatlichen Zensur an die Öffentlichkeit, wurde zum Wortführer der nichtkommunistischen Intellektuellen und war schließlich Mitinitiator der Bürgerbewegung "Charta 77".

"Havel war abwesend anwesend"

Das Akademietheater in Wien brachte unterdessen die Stücke des Dramatikers Havel auf die Bühne - in Abwesenheit des Autors, der nicht aus der CSSR ausreisen durfte. Achim Benning, damals Direktor der Burgtheaters, erinnert sich: "Da wir seine erzwungene Abwesenheit nicht annehmen wollten, kam beim Abschlussapplaus immer ein großes Bild von Havel aus dem Schnürboden - er war also abwesend anwesend. Anschließend riefen wir unseren Autor meistens in Hradecek an, und berichteten ihm."

Dem Kapitel "Havel und das Burgtheater" ist im Wiener Theatermuseum derzeit eine Ausstellung gewidmet. Havels Weltsicht als Autor prägte auch seine Regimekritik: Ihm ging es darum, die Absurdität moderner Gesellschaften, die sich ihm besonders im Kommunismus zeigte, bloßzulegen. Als politischer Autor im engeren Sinn sah er sich aber nicht.

Tschechisch-deutsche Aussöhnung

Als aufrichtig kannte man Václav Havel auch in seiner Funktion als Staatspräsident: 1990 entschuldigte er sich für die Vertreibung der Sudetendeutschen, führte die tschechisch-deutsche Aussöhnung herbei, und ebnete gegen Ende seiner Amtszeit den Weg Tschechiens in die Europäische Union.

2011 starb Havel an den Folgen einer Atemwegserkrankung - und fehlt der europäischen Öffentlichkeit seither als kritische Stimme, die etwa in Sachen Flüchtlingspolitik - wie einige Kommentatoren in Prag meinen - eine andere Haltung vertreten würde als sein Nachfolger.

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