Sarah Morris: Lob der Oberfläche?

In ihren farbigen Rasterbildern fängt sie die glänzenden Oberflächen zeitgenössischer Hightech-Architektur ein, in ihren Filmessays leuchtet sie die Zentren der Macht aus. Die US-amerikanische Künstlerin Sarah Morris hat im Weißen Haus gedreht und hinter die Kulissen eines Luxusgüterkonzerns geschaut. Die Kunsthalle Wien zeigt nun das filmische Werk der 49-jährigen Künstlerin.

Ausstellungsansicht

JORIS AUST

Mittagsjournal, 7.12.2016

Die Kamera nähert sich dem Ungetüm, das je nach Perspektive wie ein gestrandeter Dampfer aussieht, oder wie ein Palmenhaus, das aus den Fugen geraten ist. Im Pariser Bois de Boulogne hat sich der französische Luxusgüterkonzern Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) 2014 ein Denkmal gesetzt. Der kalifornische Stararchitekt Frank Gehry hat für den Konzern ein prestigeträchtiges Privatmuseum gebaut. Kunst und Luxus formvollendet vereint in der spektakulären Signature-Architektur eines Visionärs, der Skulpturen in die Landschaft stellt, die den Gesetzen der Statik scheinbar spotten.

Sarah Morris hat Frank Gehry beim Bau des spektakulären Gebäudes mit der Kamera begleitet. Ihr Film "Strange Magic" ist ein Auftragswerk. Erstmals gezeigt zur Eröffnung der Fondation Louis Vuitton im Oktober 2014. Heute Abend ist der Film in der Kunsthalle Wien zu sehen. "Die Leute glauben, dass sich meine Arbeit mit Architektur beschäftigt. Das stimmt! Ich interessiere mich für Architektur. Aber ich interessiere vor allem deshalb dafür, weil Architektur Machtverhältnisse spiegelt. Hinter einem Gebäude steht immer auch ein spezifisches Interessen", sagt Sarah Morris.

Der Schulterschuss von Luxus und Kunst

Welches Interesse steckt also dahinter, wenn der weltweit größte Luxusgüterkonzern ein Museum errichtet? Auf 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche hat sich Bernard Arnault, CEO des Luxusgüterkonzern LVMH, Kunstsammler und Mäzen, einen lange gehegten Traum erfüllt. Arnault, dieser Herr über ein Imperium aus Champagner, Cognac und Mode wird in Frankreich "Wolf in Kaschmir" genannt. Tatsächlich, so Sarah Morris, müsse man sich in Acht nehmen: "Ja, es ist schwierig, da man bei einem Auftragswerk die Interessen des Unternehmens ignorieren muss. Mein Film 'Strange Magic' beschäftigt sich mit dem Wesen von Luxus und Konsum."

Die gegenseitige Bespiegelung von Luxus und Kunst hat eine lange Tradition. Die Rechnung ist einfach: Der Luxus verleiht der Kunst Glamour. Die Kunst dem Luxus Tiefgang. Als Künstlerin müsse man der kommerziellen Einverleibung aber zumindest mit Skepsis begegnen, sagt Sarah Morris. Dabei verkörpert Morris selbst den Schulterschluss von Kunst und Glamour. Sie ist eine betörend elegante Erscheinung, wirkt so, als wäre sie einem Hochglanzmagazin entstiegen.

Zu Besuch bei Dior

Morris hat die Nähe zu Design und Mode nie gescheut. Sie hat ein Cover für die britische "Vogue" gestaltet und für die französische Luxusmarke Longchamp eine Tasche designt. In ihrem Film "Strange Magic", beschreitet Morris aber andere Wege: Sie schaut sich die Produktionskette des Luxusgüterkonzerns an. Filmt zum Beispiel in der Fabrik, in der Dior seine Parfums produzieren lässt.

"Die Fabrik, in der Dior Parfums produzieren lässt, ist zuvor noch nie gefilmt worden. Es war sehr schwierig, die Genehmigung für diese Filmaufnahmen zu bekommen. Der Präsident von Dior musste den Aufnahmen zustimmen. Man will nicht zeigen, wie die magische Welt der Luxusgüter entsteht, man verkauft sie einfach und kreiert rundherum eine Phantasie", so Sarah Morris.

Ein futuristisches Ballett der Maschine

Der modernen Wunschproduktion der Werbung, die mit ihrer zur Schaustellung perfekt modellierter Körper und glatter Oberflächen nur allzu leicht in den Kitsch kippt, setzt Sarah Morris die triviale Welt der industriellen Produktion entgegen. Sie filmt die vollautomatische Abfüllung der Parfumflakons in Nahaufnahme. Das wirkt einerseits wie eine Entweihung des exklusiven Konsumguts, andererseits entfalten die Bilder eine eigene Ästhetik, die an ein futurisches Ballett der Maschinen erinnert.

Filme von Sarah Morris sind bis 8. Jänner in der Kunsthalle Wien zu sehen. Darunter auch der Film "Capital", den die Künstlerin im Jahr 2000 im Weißen Haus gedreht hat. Man sieht Geheimdienstmitarbeiter, gepanzerte Limousinen und Bill Clinton beim Kaffee trinken. Ein Filmessay über das Zentrum der weltpolitischen Macht, der neue Blickachsen freilegt.

Service

Kunsthalle Wien - Sarah Morris. Falls Never Breaks
8.12.2016 bis 8.1.2017
Sarah Morris
Fondation Louis Vuitton - L’édifice
Der Standard - Sarah Morris: "Meine Bilder sind besser als Werbung"