Beim Denken Haken schlagen

Franz Schuh wird 70

Niemand unter Österreichs Intellektuellen beherrscht so sehr die Kunst, beim Denken Haken zu schlagen, wie der Schriftsteller und Publizist Franz Schuh. Als Denker für und wider sich selbst, als scharfsinniger Beobachter, dem zu allem ein Einwand einfällt, als Meister überraschender Gedankenabfolgen, als Essayist, der das Vorläufige dem Abgeschlossenen vorzieht.

Franz Schuh

"Ich schreibe über das Glück, weil ich Glück hatte, und zwar so viel, dass ich damit bis jetzt dem unvermeidlichen Unheil trotzen konnte", erklärt der österreichische Philosoph und Autor seine Spurensuche im Buch "Fortuna".

ORF

Selbstbeschreibung

"Ich habe stets nach dem Prinzip der Nutzensbegrenzung gelebt."
Tonspuren, 6.3.2017

"Ich habe den Sinn für die Negation körperlich und geistig eingebaut", sagt Schuh, der eine Passion fürs Paradoxe hat und in unvergleichlicher Manier das, was er gedanklich vor sich auftürmt, in der Folge selber wieder abbaut. Ein Skeptiker und feste Größe des heimischen Kulturbetriebes, der sich selbst einmal als Anhänger einer "nicht resignativen Melancholie" bezeichnete.

"Fortuna" als Buch und CD

Zum runden Geburtstag, den der Kulturpublizist am 15. März begeht, hat er sich ein thematisches Geschenk gemacht: "Fortuna" geht in bewährt alltagsphilosophischer Manier der Frage nach dem großen und kleinen Glück nach. Wie seine fünfminütige Ö1-Radiokolumne "Magazin des Glücks", in der er allmonatlich das Glück in dessen unterschiedlichsten Erscheinungsformen einer kritischen Prüfung unterzieht, heißt auch der Untertitel des Buches.

"Glücken, das auf Können beruht"

"Jeder Plan hat eine Lücke, und diese wird im besten Fall mit Glück ausgefüllt."
Magazin des Glücks, 26.2.2017

Parallel zum Buch hat Ö1 eine CD mit einer Auswahl von Texten daraus - Prosa und Lyrik, humorvolle, hintergründige und philosophische Überlegungen zum Thema Glück - produziert. Vorgetragen werden die Texte von Franz Schuh selbst. Zu hören sind u. a.: "Liebkind", "Save our Souls", "Weißer Bademantel", "Gegen die Unangepasstheit", "Die Welt des Glücklichen", "Leidenskraft und Lebenswille", "Der grüne Koffer", "Frisches Grün" und "Stillleben am Inn".

Erste Schreibversuche

Statt einen "anständigen" Beruf wie Polizeijurist zu erlernen, wird Schuh "skeptischer Kollaborateur der Medien".
Tonspuren, 6.3.2017

"Equilibrist der Sprache"

Franz Schuh wurde am 15. März 1947 geboren. Er studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik, war Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung (1976 bis 80), Redakteur der Zeitschrift "Wespennest" und Programmleiter im Deuticke Verlag. Essays, Beiträge und Kritiken erscheinen im Rundfunk und in Zeitungen und Zeitschriften im In- und Ausland, er hatte und hat Lehraufträge an der Universität Klagenfurt, am Mozarteum Salzburg und an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Der "Equilibrist der Sprache" und "Erotiker des Wortes" (so Thomas Rothschild über Schuh), der im Wiener Künstlerhaustheater einmal einen "Beamten des Amtes für Sprachpflege" verkörpert hat, ist ein gefragter Redner und war auch der erste, der im Jahr 2000 zur Eröffnung der "Tage der deutschsprachigen Literatur" eine "Klagenfurter Rede zur Literatur" gehalten hat.

Vom Mäandern

"Vielleicht ist die Art, in der ich die Dinge darstelle, wellenförmig. Das Mäandern liegt mir schon sehr - zu zeigen, dass die eigenen Behauptungen nur ein partielles Fundament sind, für das, was man meint."
Tonspuren, 6.3.2017

Publikationen

Seine Publikationen umfassen u.a. "Das Widersätzliche der Literatur. Kritische Kritiken" (1981), "Fremdenverkehr. Kritische Texte über den Tourismus" (Hg., 1984), "Liebe, Macht und Heiterkeit. Essays" (1985), "Das phantasierte Exil. Essays" (1991), den Roman "Der Stadtrat. Eine Idylle" (1995) sowie die Essaybände "Schreibkräfte. Über Literatur, Glück und Unglück" (2000), "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche" (2006) und "Der Krückenkaktus" (2011). 2007 veröffentlichte er "Hilfe!", einen "Versuch zur Güte", 2008 unter dem Titel "Memoiren" "ein Interview gegen mich selbst".

In diesen "Memoiren" findet sich auch sein Versuch, eine Trennung zwischen dem Essayisten und dem Philosophen vorzunehmen: "Der Philosoph ist gezwungen, seine Behauptungen ernsthaft aufrechtzuerhalten. Das ist eine ordentliche Haltung. Der Essayist hingegen hat - in riskanten Grenzen - die Möglichkeit, das Behaupten selber zu thematisieren. Er kann aus Behauptungen, Meinungen oder Bruchstücken von Ideologemen eine Poesie machen." Und aus seinem eigenen biografischen Erfahrungsschatz einen Roman, wie er 2014 mit "Sämtliche Leidenschaften" unter Beweis stellte.

Auszeichnungen

Als Schreibender und als Radiophilosoph für Ö1 ist Schuh einer der bekanntesten und wohl auch am meisten ausgezeichneten Kulturpublizisten Österreichs: Er hat u.a. den Staatspreis für Kulturpublizistik (1985), den Preis der Stadt Wien für Publizistik (1987), den Jean-Amery-Preis (2000), den Medienpreis Davos (2006), den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik (2009), den Tractatus-Essaypreis (2009) und 2011 den Österreichischen Kunstpreis erhalten. "Mit großer Geschicklichkeit verbindet Franz Schuh Privates und Ästhetisches", rühmte ihn Hubert Christian Ehalt 2009 bei der Verleihung des Goldenen Verdienstzeichen Wiens. Als "Gebrauchsphilosoph" trage er dazu bei, "die Dinge in der notwendigen Schwebe zu halten."

Text: APA, Red.

Service

Franz Schuh, "Fortuna - Aus dem Magazin des Glücks", Zsolnay

Ausgewählte Texte aus seinem Buch liest der Autor auf der gleichnamigen Ö1 CD. Erhältlich im Ö1 Shop (Bestellnr.: 2017112) und im gut sortierten Fachhandel.

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