ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
100 Jahre Fatima: Die "politische" Muttergottes
Vor 100 Jahren - am 13. Mai 1917 - wollen drei Kinder im portugiesischen Bergdorf Fatima zum ersten Mal einer schönen "Senhora“ begegnet sein - die sich später als "Königin des Rosenkranz“ zu erkennen gegeben habe. Mitten im Ersten Weltkrieg fordert sie zum Gebet für den Frieden auf - aber auch ganz konkret für die "Bekehrung Russlands“.
9. Juni 2017, 02:00
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Kitsch en miniature: Die kleine Schneekugel zeigt auf der einen Seite die Muttergottes mit den "Seherkindern", auf der anderen Seite Jesus. Auch Rosenkränze gibt es in allen Größen - der kleine Fingerrosenkranz leuchtet sogar im Dunkeln.
Ein Stück der - ehemaligen - "Berliner Mauer" am Rande des Sanktuariums ist ein beredter Zeuge für die politische Ausrichtung der Botschaft von Fatima. "Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren und es wird Friede sein. Wenn nicht, wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Kirchenverfolgungen herauf beschwören", so wird die "Erscheinung" von den drei "Seherkindern" zitiert. Und sie fordert die Kinder auf: "Betet täglich den Rosenkranz, um den Frieden für die Welt und das Ende des Krieges zu erlangen." Und so gibt sich dann die Erscheinung auch als "Königin des Rosenkranzes" zu erkennen - eine katholisch eindeutig Umschreibung der biblischen Mutter Jesu, der Jungfrau Maria. Die Ereignisse des Jahres 1989 betrachten nicht wenige Katholikinnen und Katholiken als direkte der Folge des beharrlichen Gebets zur "Muttergottes von Fatima".
Die schöne "Senhora“ unter der Steineiche
Am 13. Mai 1917, so berichten Lucia, Jacinta, Francisco, sei ihnen bei der Steineiche auf der Weide, dort, wo sie ihre Schafe hüten, zum ersten Mal eine schöne "Senhora" begegnet: Francisco - noch keine neun Jahre alt, seine siebenjährige Schwester Jacinta und ihre Kusine Lucia, mit zehn Jahren die älteste der drei. Fünf weitere Besuche, jeweils am 13. des Monats kündigt sie an. Und beim "Sonnenwunder" am 13. Oktober werden schon zehntausende Menschen Zeugen, wie die Sonne plötzlich, so berichten damals auch die portugiesischen Zeitungen, um die eigene Achse zu rotieren beginnt.
An der Stelle der Steineiche wurde schon bald die winzige "Erscheinungskapelle“ errichtet, die sich heute wiederum auf dem angeblich größten Kirchenvorplatz der Welt befindet. Auf der einen Seite erhebt sie die mächtige Basilika "Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz" (aus den fünfziger Jahren), auf der anderen Seite des riesigen, asphaltierten Feldes lässt sich das gedrungene Halbrund der neuen Dreifaltigkeitsbasilika erahnen - die mit ihren 8.000 Sitzplätzen stark an eine US-amerikanische Mega-Church erinnert. Vor der neuen Kirche knien - überlebensgroß - zwei Päpste: Paul VI., der als erster Papst das Heiligtum besucht hat, und Johannes Paul II., der eine ganz besondere Beziehung zu Fatima hatte.
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Papstattentat – am 13. Mai 1981
Mehmet Ali Agca hatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die geringste Ahnung, dass er für sein Attentat auf den Papst den Jahrestag der ersten Erscheinung von Fatima gewählt hatte. Johannes Paul II. wollte darin eine "Fügung" erkennen: Die Muttergottes von Fatima habe "die Kugel gelenkt“ und ihm so das Leben gerettet. Zum Dank pilgert er nach Fatima und lässt eine der Kugeln in die Krone der dortigen Marienstatue einsetzen.
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Fatima als Quelle apokalyptischer Spekulationen: Hat die Muttergottes im "dritten Geheimnis" einen Atomkrieg oder den Weltuntergang vorhergesagt?
Der Papst lässt sich aus diesem Anlass auch den Text des sagenumwobenen "Dritten Geheimnisses" von Fatima bringen, das noch bis ins Jahr 2000 unter Verschluss gehalten wurde. Viel war darüber durch die Jahrzehnte - weit über katholische Kreise hinaus - spekuliert worden: Wird darin eine Atomkrieg vorhergesagt? Nennt die Muttergottes gar den Termin des Weltunterganges?
In Wahrheit beschreibt es eine apokalyptische Vision mit einem "Bischof in Weiß" im Zentrum: "Der Heilige Vater ging durch eine große Stadt, die halb zerstört war, halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, gedrückt, betete er für die Seelen der Leichen, denen er auf seinem Wege begegnete. Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen".
Das erste "Geheimnis“ beschreibt eine Vision der Hölle, die den Kindern bei den Erscheinungen 1917 zuteil geworden ist. Im zweiten geht es um die "Bekehrung Russlands“ und den Ausbruch eines weiteren großen Krieges...
Gebet für die Freiheit Österreichs
Die Botschaft von Fatima hat vor 70 Jahren - im Jahr 1947 - den Franziskaner-Pater Petrus Pavlicek zur Gründung einer Gebetsgemeinschaft für die Freiheit Österreichs inspiriert. Bis zu 500.000 Mitglieder zählte der "Rosenkranz-Sühnekreuzzug für den Frieden der Welt". Die Lichterprozessionen auf der Wiener Ringstraße (mit Julius Raab und Leopold Figl) sind in kirchlichen Kreisen bis heute legendär.
Und nicht wenige Katholikinnen und Katholiken sind bis heute überzeugt: Der Staatsvertrag ist nicht nur günstigen, weltpolitischen Rahmenbedingungen und dem Verhandlungsgeschickt von Raab und Figl zu verdanken – sondern auch dem beharrlichen Gebet zur Muttergottes.
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Heiligsprechung zum 100-Jahr-Jubiläum
Zur Feier des 100-Jahr-Jubiläums werden zwei der drei Seherkinder heiliggesprochen. Francisco und Jacinta sind schon bald noch den Erscheinungen - gerade zehn Jahre alt - an der Spanischen Grippe gestorben. Lucia, die älteste, musste sich ins Kloster zurückziehen und starb im Jahr 2005 - kurz vor ihrem 98. Geburtstag: Daher ist in ihr Seligsprechungsprozess erst in der Anfangsphase.
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Gestaltung
- Markus Veinfurter