George Saunders bei der Preisverleihung

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Roman "Lincoln in the Bardo"

George Saunders gewinnt Man-Booker-Preis

Der diesjährige Man-Booker-Preis, der wichtigste britische Literaturpreis, geht an den amerikanischen Schriftsteller George Saunders für den Roman "Lincoln in the Bardo". Der 58-jährige Texaner ist der zweite US-Schriftsteller, der den Preis erhält. Bis 2013 war er ausschließlich Schriftstellern aus dem Commonwealth vorbehalten.

Morgenjournal | 18 10 2017

Cornelia Primosch

Die britischen Buchmacher wussten es schon seit Tagen - in den Wettbüros war George Saunders Favorit für den wichtigsten britischen Literaturpreis. Tatsächlich sollte er beim diesjährigen Man-Booker-Prize Schwergewichte der Szene ausstechen, wie Paul Auster oder Ali Smith. Entsprechend demütig reagiert George Saunders auf die Jury-Entscheidung: Er hoffe, dass er der Ehre mit seinem Schaffen bis zum Ende seines Lebens gerecht werde. Ausgezeichnet wurde der erste Roman von George Sauders, der bisher mit seinen Kurzgeschichten internationale Bekanntheit erlangt hat.

Der Tod von Lincolns Sohn

Schon vor 20 Jahren, erklärt Saunders, sei ihm die Idee dazu gekommen. Er wollte eines der traumatischsten Ereignisse in Abraham Lincolns Leben niederzuschreiben. "Lincoln in the Bardo" beschreibt der jenen Tag, an dem der US-Präsident seinen 11-jährigen Sohn zu Grabe tragen muss. William war an Typhus gestorben. Bardo bezeichnet im tibetischen Buddhismus den Zwischenzustand, jene die Zeitspanne zwischen dem einen Leben und dem nächsten. Ein Zwischenzustand, den der US-Amerikaner Saunders auf die aktuelle Zeit umlegt. Es seien seltsame Zeiten.

Großmut vor Angst

"Reagieren wir auf Angst mit Ausgrenzung und Gewalt oder beantworten wir sie mit einem enormen Vertrauensvorschuss und mit Liebe?" George Saunders appelliert in seiner Rede an die menschliche Großzügigkeit - selbst wenn Angst vorherrsche. Der Verweis auf US-Präsident Donald Trump fällt diskret, aber eindeutig aus:

"In den USA wird derzeit oft der Schutz unserer Kultur gefordert - genau das hier ist Kultur. Der Raum ist voll mit Menschen, die daran glauben und die andere Meinungen anerkennen, auch wenn es ihnen schwerfällt. Menschen, die Hass und Niedertracht ausräumen wollen - vor allem dann, wenn wir dieses Denken in uns selbst finden."

Geistreich, intelligent und tief bewegend - so beurteilt die Man-Booker-Prize-Jury den Debüt-Roman von George Saunders. Eine Entscheidung, die ihm 50.000 Pfund Preisgeld einbringt, noch lukrativer ist die Werbewirkung des wichtigsten britischen Buchpreises, weshalb sich Saunders mit einem Augenzwinkern bei den Kritikern und den Buchhändlern bedankt.

Aus gutem Grund, immerhin dürften die Verkaufszahlen in die Höhe schießen. Der Gewinnertitel vom letzten Jahr, "The Sellout" von Paul Beatty hat in der Woche nach der Preisverleihung eine 658-prozentige Absatzsteigerung erfahren. Und auch die anderen fünf nominierten Autoren, die heuer leer ausgegangen sind, wie Paul Auster mit seinem Roman "4321", können sich etwas trösten. Denn das Prädikat "Man Booker Prize" sorgt in jedem Fall für erhöhte, internationale Aufmerksamkeit.