Hagen-Sujetbild

TAW/BEYOND/EMMANUEL POLANCO

"Ring"-Trilogie

Perspektivenwechsel für Wagnerianer

Das RSO Wien spielt Richard Wagners "Ring"-Trilogie im Theater an der Wien - eine Neufassung vom "Ring des Nibelungen" in der Regie von Tatjana Gürbaca, Constantin Trinks dirigiert: Ö1 sendet "Hagen" am 8., "Siegfried" am 9. und "Brünnhilde" am 10. Dezember (jeweils 19:30 Uhr).

Morgenjournal | 04 12 2017

Premierenbericht von

Gernot Zimmermann

Ein Mörder. Ein Ermordeter. Die Geliebte des Opfers, die der Tat teilnahmslos zusieht. Sie alle drei büßen für den generationenübergreifenden Hass, den ihre Eltern und Großeltern gezüchtet haben. Richard Wagner wollte zunächst nur die Ermordung Siegfrieds durch Hagen im Beisein von Brünnhilde vertonen, merkte dann aber rasch, dass auch die Vorgeschichte zu Siegfrieds Tod erzählt werden will. So entstand jene monumentale Tetralogie, die seit der Uraufführung in Bayreuth 1876 Generationen von Philosoph/innen, Musikolog/innen, Regisseur/innen und Dirigent/innen inspiriert und zu umfassenden Deutungen angestachelt hat.

1863 dirigierte Wagner höchstpersönlich im Theater an der Wien. Aber Wagners Musiktheater in einem Haus, dessen Dimensionen für Mozarts Werke als ideal bezeichnet werden? Dieser Gedanke ließ Intendant Roland Geyer nicht mehr los, und so reifte die Idee, den "Ring des Nibelungen" anders zu erzählen: mit reduziertem Orchester, zugespitzt auf Siegfrieds Ermordung, nicht mit Göttervater Wotan im Mittelpunkt, sondern aus der Perspektive der Nachkommen.

Mörder, Opfer und Geliebte

In der Regisseurin Tatjana Gürbaca und dem Dirigenten Constantin Trinks, der zuletzt mit dem RSO Wien bei Marschners "Hans Heiling" zusammenarbeitete, fand Geyer Mitstreiter für seine unkonventionelle Idee. Aus 15 Stunden wurden neun, verteilt auf drei Abende: Die "Ring"-Trilogie war geboren. Drei Mal wird die Ermordung Siegfrieds erzählt: am ersten Abend aus der Sicht des Mörders, am zweiten aus der des Opfers, am dritten aus der der Geliebten. Rückblenden schildern, wie diese drei zu denen wurden, die sie sind.

Tatjana Gürbaca zu Gast in "Intermezzo", 19 11 2017

Tatjana Gürbaca: "Das Nebeneinander von verschiedenen Wahrheiten, die aufeinanderprallen, ist das Moderne an Wagner und seinen Opern." Wagners Tetralogie wurde für die "Ring"-Trilogie auseinandergeschnitten und wieder neu zusammengesetzt.

An jedem der drei Abende erklingt Musik aus zwei Wagner-Opern, am "Siegfried"-Abend etwa Ausschnitte aus "Siegfried" und der "Walküre", in der die Geschichte von Siegfrieds Eltern geschildert wird. Die Orchestrierung stammt von Alfons Abbass, Bratschist der Meininger Hofkapelle, der die Anzahl der Musizierenden 1905 für eine "Ring"-Aufführung im Sächsischen Hoftheater Coburg-Gotha auf knapp 60 reduziert hat. Gleichwohl ist jede Note dieser Fassung von Wagner.

Brutalität und Zerbrechlichkeit


Für das ORF Radio-Symphonieorchester Wien ist die "Ring"-Trilogie eine willkommene Gelegenheit, Wagners geniale Musik in einem Opernhaus zu spielen. Die Proben für dieses Projekt, gleichsam die Krönung der bald zwei Jahrzehnte währenden fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien und dem Theater an der Wien, haben bereits im September begonnen.

Constantin Trinks, der bei der Erstellung der neunstündigen Version intensiv mitgearbeitet hat, ist kein "Ring"-Neuling. 2011 dirigierte er Wagners Tetralogie in Darmstadt. Er spricht gleichwohl von einer Herausforderung. "Ich hatte am Anfang meine Bedenken, konnte dann aber feststellen, dass sich die neue Abfolge der Szenen organisch aneinanderfügt."

Und in der reduzierten Orchesterfassung sieht er auch eine Chance: "Bei Wagner gibt es mehr leise als laute Stellen, ihm ging es immer um Vielseitigkeit und Kontrastreichtum. Wagners Opern variieren zwischen Brutalität und Momenten unglaublicher Zartheit und Zerbrechlichkeit."

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Das ehrgeizigste und spannendste Projekt der Wiener Opernsaison 2017/18 ist im Dezember im Theater an der Wien mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien zu erleben und in Ö1 zur Gänze nachzuhören.

Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien