Keyfoto zum Theaterstück, Nebel

ALEXI PELEKANOS

Árpád Schillings neues Stück

Ungarischer "Staatsfeind" in St. Pölten

"Erleichterung" heißt das neue, deutschsprachige Stück des ungarischen Theatermachers Árpád Schilling. Am Landestheater Niederösterreich wird es uraufgeführt. Als prominenter Regierungskritiker wurde Schilling vom ungarischen Parlament zum Staatsfeind erklärt.

Das neue Theaterprojekt von Árpád Schilling dürfte die Zuschauer alles andere als erleichtert zurücklassen. Der Theatermacher hat das Stück in St. Pölten aus Improvisationen mit Schauspielern der Ensembles entwickelt. "Erleichterung" spielt in einer intellektuellen Kleinfamilie. Der Vater ist Schriftsteller in einer Schaffenskrise, die Mutter Vizebürgermeisterin, sie hat ein Asylwerberheim aufgebaut. Am Beispiel dieser Familie wird vorgeführt, wie Solidarität mit den Schwächsten - Flüchtlingen, Behinderten - abhandenkommt. Und wie ein Künstler seine gesellschaftliche Verantwortung verrät. Árpád Schilling ist Gründer und Leiter des berühmten Theaterkollektivs Krétakör - Kreidekreis.

Morgenjournal | 30 11 2017

Dorothee Frank

Alle reden über Menschenrechte, aber aus wirtschaftlichen Gründen will niemand in der EU die Beziehungen abbrechen.

Árpád Schilling im Interview

Der Regisseur spricht über Verantwortung von Künstlern, auf Angst beruhende Regierungspropaganda und Orbáns Politik. - "Kulturjournal", 30.11.2017

Dorothee Frank

"Erleichterung" in der Kleinstadt

Eine Kleinstadt in Ostösterreich. Der Schriftsteller Felix steckt in einer Schaffenskrise. "Plötzlich ist der ganze Tag vergangen, und ich habe nicht ein einziges Wort geschrieben. Es fällt mir einfach nichts mehr ein!"

Seine Frau Regina ist Vizebürgermeisterin und hat ein Asylwerberheim aufgebaut. Dort kommt es gerade zu Reibereien. "Jedenfalls hat Achmed jetzt die ganzen Muslime im Asylwerberheim aufgehetzt. Er sagt, seine Schwester sei in ihrer Ehre verletzt. Und dieser Kotzbrocken, dieser Christian Meister von der Krone, der schreibt von ethnischen Konflikten und lebensgefährlichen Drohungen und einen Sittenwächterpatrouille …"

Rassismus mit Eigennutz-Faktor

Ihr Schwiegervater drängt auf Schließung des Heims und Umbau zu einem Sportzentrum; ein Auftrag, der ihm als einflussreichem Bauunternehmer zufallen könnte. "Papa, das ist Rassismus. - 'Rassismus? Kapierst Du denn das nicht? Diese jungen Schmarotzer, die würden doch über jedes Mädchen herfallen!'"

Árpád Schilling und seine Koautorin Éva Zabezsinszkij haben "Erleichterung" aus Improvisationen mit Schauspielern des Landestheaters Niederösterreich entwickelt.

In dem Stück streitet und versöhnt sich die Familie wieder; den Preis dafür zahlen die Schwächsten - wie etwa Bewohner des Asylwerberheims. Sie werden der Feigheit und dem Opportunismus jener Familie - respektive Gesellschaft - geopfert.

APA/MÁTÉ TÓTH RIDOVICS

Meinen Aktivitäten in Ungarn bewegen sich im Rahmen der Demokratie ... Es geht um die Redefreiheit und Partizipation in der Gesellschaft.

APA/MÁTÉ TÓTH RIDOVICS

"Potenzieller Vorbereiter staatsfeindlicher Aktivitäten"

Schilling ist zugleich Regisseur - dies derzeit nur im Ausland - und Aktivist. In Ungarn organisiert er Kundgebungen, Workshops, politische Bildung. Im September hat der nationale Sicherheitsausschuss des Parlaments ihn und zwei andere Künstler zu "potentiellen Vorbereitern staatsfeindlicher Aktivitäten" erklärt.

Traurig findet er, dass in Ungarn niemand aus der Theaterszene sich mit ihm solidarisch erklärt hat. Das Burgtheater oder der steirische herbst, das Landestheater Niederösterreich oder das Thalia-Theater Hamburg ja - aber die Kollegen in Ungarn hätten Angst.

Wer wie Schilling zum Feind der Nation erklärt werde, müsse durchaus Übergriffe von Rechtsextremen befürchten.

Schilling: "Orban hat wohl nichts gegen EU-Austritt"

Schilling meint, dass Premier Viktor Orbán nichts gegen einen Austritt Ungarns aus der Europäischen Union hätte. Die EU reagiere zu langsam und schwerfällig auf Provokationen aus Ungarn. So seien seit Jahren enorme Summen an EU-Förderung durch Korruption in der ungarischen Oligarchie versickert. Zu spät sei man in Brüssel darauf gekommen, dass man da vielleicht nachforschen sollte. Inzwischen sei das Geld längst gestohlen.

Und die EU würde auch deshalb dem autoritären Umbau in Staaten wie Ungarn nicht entschieden genug entgegentreten, weil Wirtschaftsinteressen der einzelnen Länder Vorrang hätten. "Wir reden immer von Interessen, Interessen, Interessen, Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Die Menschenrechte interessieren da weniger".

"Erleichterung" von Árpád Schilling hat am Freitag am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten Premiere.

Service

Landestheater NÖ - Erleichterung
Burgtheater - Eiswind / Hideg szelek