Bühnenfoto

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Uraufführung

Luk Percevals Romeo in Windelhosen

Der belgische Regisseur Luk Perceval inszeniert am Wiener Akademietheater"Rosa oder die barmherzige Erde", eine Art Romeo und Julia Geschichte im Demenzheim. Tobias Moretti ist in der Hauptrolle zu sehen.

Mittagsjournal | 09 03 18

Ö1 Kulturjournal

Interview mit Tobias Moretti

Katharina Menhofer

"Rosa oder die barmherzige Erde" ist der Titel eines Stückes, das im Wiener Akademietheater Uraufführung feiert. Der belgische Regisseur Luk Perceval, der zum ersten Mal am Burgtheater inszeniert, greift darin auf den Roman des niederländischen Autors Dimitri Verhulst zurück, der den Titel trägt: "Der Bibliothekar, der lieber dement war, als zu Hause bei seiner Frau" und verschränkt ihn mit dem klassischen Romeo und Julia Text Shakespeares. Ebenfalls im Ensemble - Gertraud Jesserer, Sabine Haupt, Daniel Jesch oder Sylvie Rohrer und ein Chor von Statistinnen aus zwölf Frauen jenseits der 80.

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Die Schwester im Demenzheim spricht mit dem 74-jährigen Desiree gerne in der ersten Person Plural. Aber das nimmt er in Kauf, denn der Aufenthalt in der Demenzstation ist selbstgewählt. Desiree hat beschlossen, seinem langweilig-spießigen Leben, seiner nervigen Frau und den erwachsenen Kindern zu entfliehen und seine letzten Jahre in vollkommener Freiheit und Anarchie auszuleben. Hier kann er schreien, sich anmachen, Schwestern begrapschen, Patienten beschimpfen und sich hörbar Luft machen.

Kein Pensionsisten-Schelmenstück

Doch Regisseur Luc Perceval interessiert bei dieser Arbeit weniger die lustig-böse Schelmengeschichte, die in der Romanvorlage durchaus vorhanden ist, als viel mehr, die tiefsten und wahrhaftigsten Momente des menschlichen Lebens auf die Bühne zu bringen.

Luc Perceval

Luc Perceval: "Was mich sehr berührt hat", so Perceval,"ist, dass da ein Mann der Wirklichkeit entfliehen will und dabei entdeckt, dass es kein Entkommen gibt, denn er wird in seiner Flucht mit der ultimativen Wirklichkeit konfrontiert, mit dem Sterben und dem Tod."

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Intermezzo | 04 03 2018 | Luk Perceval

Katharina Menhofer

Für ihn, so Perceval, sei das das Theater eine Form von Ritual, das wie ein Mantra an die großen Themen des Lebens erinnere - aber auch an die Tatsache, dass wir auf diese Themen keine Antworten hätten.

Hoch betagte Statistinnen

Im Heim, das auf der Bühne einem Amphitheater gleicht, versammelt Perceval den sogenannten "Vergissmeinnichtchor" - dargestellt von 12 alten Damen, die die schlafend, singend oder einfach nur stumm vor sich hinstarrend die Heimbewohnerinnen mimen.

Szenenfoto

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Hier trifft Desiree seine Jugendliebe Rosa wieder. Sie bleibt schemenhaft im Hintergrund, ist wirklich dement und kurz vor dem Sterben. Und gleichsam als Erinnerungen des alten Bibliothekars webt Perceval hier Shakespeares Romeo und Julia Szenen ein, vorgetragen von den Schwestern, den Mitpatienten oder der auf Besuch weilenden Ehefrau (dargestellt von Gertraud Jesserer).

Tobias Moretti

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Tobias Moretti als Desiree

Tote Erde

Doch mit der Zeit stellt sich bei Desiree eine Illusionslosigkeit ein, die ihn in die wirkliche Demenz treibt. Man merke, so Tobias Moretti, dass ein Vakuum entstehe, sobald das Illusions-und Sehnsuchtsprinzip nicht mehr da sei: "Da ist dann nur mehr tote Erde, gar nix mehr. Wenn keine Tränen mehr kommen können, weil ausgeweint ist."

Für Tobias Moretti, der zuletzt als Faust die Ära Matthias Hartmann am Burgtheater eröffnet hat, und der im Sommer zum zweiten Mal als Jedermann in Salzburg zu sehen sein wird, war die Rolle des Desiree eine herausforderndsten und komplexesten seines Bühnendaseins. "Es ist ja immer so, und gerade bei guten Schauspielern, dass man selber der Einsatz ist, aber hier war es eben schon von vornherein so, dass man "nackt" und ohne Schminke in die vielschichtige Figur hineingeworfen wurde, das war spannend und aufreibend und hat mich unheimlich viel gekostet."

Wie das riskant-interessante Bühnenprojekt aufgeht, wird die Premiere im Wiener Akademietheater zeigen.

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