Papierunterlagen in Männerhand

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Theaterstück abgesagt

Ein guter und ein böser Flüchtling

Ein Innenminister gibt ein Theaterstück in Auftrag. Der Inhalt: Es geht um einen guten und einen bösen Flüchtling. Und gezeigt werden soll das ganze an Schulen. So geschehen - in Österreich.

Der derzeitige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat in seiner Zeit als Innenminister genauso ein Theaterstück für 11- bis 17-Jährige in Auftrag gegeben - und es war tatsächlich 70 Mal an Schulen zu sehen. Unsere Kollegen von FM4 haben das schon gestern berichtet; Ö1, dem eine Fassung des Stücks in Textform vorliegt, hat bei den Verantwortlichen nachgefragt.

"Welt in Bewegung" lautet der unverfängliche Titel des Stückes. Es handelt von zwei Asylwerbern, die aus unterschiedlichen Gründen nach Österreich kommen. Der eine ist ein politisch Verfolgter - gebildet, höflich und integrationswillig -, der andere ein Wirtschaftsflüchtling, der den Versprechungen auf YouTube glaubt, dass Flüchtlinge in Österreich 6.000 Euro Willkommensgeld, ein Auto und ein Haus bekommen.

Als seine Hoffnungen enttäuscht werden, gerät er in die Fänge des IS, verbreitet Terrorpropaganda und wird am Ende festgenommen. Es gibt aber auch ein positives alternatives Ende, wo der Wirtschaftsflüchtling nach Afrika zurückkehrt, eine Familie gründet und ein kleines Unternehmen. Eine einfache Geschichte, die der Regisseur Edmund Emge 2017 geschrieben hat. Den Auftrag erhielt er vom Innenministerium. "Sobotka hatte die Intention, mittels eines Theaterstückes, Kinder und Jugendliche mit dem Thema Migration und Flüchtlingspolitik zu konfrontieren", so Emge.

Kompliziertes heruntergebrochen

Die Intention ist gut, das Instrument fraglich. Auf 20 Seiten werden in dem Stück komplizierte Sachverhalte auf ein simples Schema vom guten und vom bösen Flüchtling heruntergebrochen. Auch das weitere Personal ist stereotypisch: etwa zwei ausländerfeindlichen alten Tanten, ein quotengierige Journalist und eine leichtgläubige Vertreterin der sogenannten Gutmenschen, wie die Yogalehrerin, die Yoga für Flüchtlinge anbietet und dabei plump ausgenutzt wird.

Den Klischeevorwurf weist Alexander Marakovits, Sprecher Innenministeriums, zurück: "Wir müssen die Dinge schon vereinfachen, weil die Integration ist ein sehr komplexes Thema. Sie müssen die Botschaft einfach herunterbrechen. Das wurde auch gemacht, unter professioneller Begleitung."

Vertreter des Ministeriums sind bei den Schulvorstellungen immer anwesend, um eventuelle Fragen beantworten zu können, so Marakovits. Aber ist es eigentlich üblich, dass das Innenministerium Stückaufträge für Schulen erteilt? Das sie relativ neu, so Marakovits, "aber wie bekomm ich Botschaften an bestimmte Zielgruppen?"

Szene aus "Welt in Bewegung"

WELTMUSEUM WIEN

Szene aus "Welt in Bewegung"

"Am Ende soll das richtige Denken herauskommen"

Die Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche von 11 bis 17 Jahren. Rund 7.000 bis 10.000 Kinder in Wien, Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg haben das Stück bereits gesehen. Die Vorstellungen sind im Gegensatz zu anderen Theaterbesuchen in Schulen, gratis. Die Reaktionen der rund 350 Lehrerinnen und Lehrer seien, so der Autor Edmund Emge, durchwegs positiv.

Der Radiosender FM4 zitiert allerdings eine Lehrerin, die durch das Stück ihre jahrelange Integrationsarbeit gefährdet sieht. Von platter und dümmster Propaganda, Indoktrination oder Rassismus sprechen Kritiker, die das Stück gelesen haben, wie etwa die Regisseurin Tina Leisch oder Gerhard Ruiss, von der IG Autorinnen und Autoren, der das Stück als Belehrung sieht, bei dem am Ende das richtige Denken herauskommen soll. Den Vorwurf der Propaganda weist man im Innenministerium von sich.

Erste Vorstellung heute abgesagt

Heute Abend hätte die erste öffentliche Vorstellung des Stückes im Weltmuseum stattfinden sollen. Sie wurde heute Vormittag abgesagt. Man möchte die Stückfassung und den Hintergrund noch einmal prüfen. Und vielleicht auch der Frage nachgehen, ob Theaterstücke wie diese geeignet sind, eine junge Generation für das Thema Integration zu sensibilisieren, oder ob sie schlicht vorgefertigte Antworten im Sinne der Regierung liefern.

Service

  • FM4 - Es ist ein Theater mit den Flüchtlingen
  • ORF.at - Weltmuseum sagt Stück über Flüchtlinge ab

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