Ein Mann mit Melone am Cover von "Haarmann"

PENGUIN VERLAG

Dirk Kurbjuweit

Roman über den Serienmörder "Haarmann"

Es war einer der grausamsten Kriminalfälle aus den 1920er Jahren. Auf bestialische Weise brachte Fritz Haarmann zwischen 1918 und 1924 zwei Dutzend junge Männer um. Am 19. Dezember 1924 wurde er vom Schwurgericht Hannover zum Tode verurteilt und hingerichtet. Jahrzehntelang war dieser Fall Thema für die Populär- und Hochkultur von Fritz Lang bis Alfred Hrdlicka. "Haarmann - Ein Kriminalroman" nennt der deutsche Autor und "Spiegel"-Redakteur Dirk Kurbjuweit seine Auseinandersetzung mit dem Stoff.

"Der Kannibale von Hannover", "Der Vampir", "Der Schlächter" oder "Der Werwolf" - so wird Fritz Haarmann auch genannt - ein Serienmörder, dessen Fallgeschichte Autoren, Filmemacher und Künstler seit bald 100 Jahren fasziniert. Fritz Lang hat den Stoff in den 30er Jahren aufgegriffen, Götz George spielte 1995 Fritz Haarmann in "Der Totmacher", es gibt eine Graphic Novel und ein Theaterstück, von Alfred Hrdlicka einen Haarmann-Zyklus und ein Haarmann-Fries. Nicht zu vergessen: der Jazzmusiker Hawe Schneider, der sich in den 60er Jahren mit seinem Haarmann-Lied wochenlang in den Top 10 der Hitparade hielt.

Porträt einer Epoche

Es sind schaurige Szenen, die anno 1924 im Prozess gegen Fritz Haarmann ans Licht kamen. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg hat er 24 Buben und junge Männer zu Tode gebissen und ihre Leichen zerstückelt. Weitere Details seien hier ausgespart. Die standen auch für Dirk Kurbjuweit nicht im Vordergrund, es ist der politische Kontext, der ihn an diesem Fall interessiert hat.

"Es war ja eine eminent politische Zeit - Anfang der 20er Jahre: die junge Republik noch heftig umkämpft, Hyperinflation", sagt Kurbjuweit." Da geht es vor allem um die große Frage, die uns ja immer noch beschäftigt: Sind Demokratien in der Lage, die Sicherheit ihrer Bürger zu gewährleisten?"

Traumatisierte, verunsicherte Gesellschaft

Aus der Perspektive von Robert Lahnstein, einem fiktiven Ermittler, rollt Dirk Kurbjuweit den Fall auf. Lahnstein kämpft an zwei Fronten: Zum einen muss er den Serienmörder finden, zum anderen sieht er sich konfrontiert mit Republikfeinden, Antisemiten und einer Radikalisierung der Gesellschaft.

"Lahnstein ist ein hochpolitischer Mensch. Er hat nicht viele Filter, nicht viele Schleusen, das geht alles sehr tief in ihn rein. Manchmal entwickelt er sogar eine Paranoia und denkt: Ich muss die Republik retten, indem ich hier diesen Fall aufkläre", so der Autor. Aus heutiger Sicht sei es nicht zu verstehen, dass man Haarmann nicht eher gefasst habe.

"In Anklage steht nicht dieser Haarmann. In Anklage steht unser System. Unsere Gesellschaft. Zuletzt eine Kultur!"
Theodor Lessing

Der deutsche Philosoph Theodor Lessing beobachtete 1924 den Haarmann-Prozess und veröffentlichte ein Buch dazu - ein sozialpsychologisches Porträt eines Außenseiters, das auch die Grundlage für Dirk Kurbjuweits Roman war. Ihm ging es letztlich auch um die Frage: Welche Mittel sind zulässig, einen Täter zu überführen?

Welche Mittel sind zulässig?

"Der Triebtäter sagt, ich muss; die Gesellschaft sagt, du darfst nicht." Die Gesellschaft müsse dieses "ich muss" mit vielen, nicht mit allen Mitteln, verhindern.

Dirk Kurbjuweits Haarmann - das ist mehr als ein Kriminalroman - es ist das Porträt einer Epoche zwischen den beiden Weltkriegen und einer traumatisierten, verunsicherten Gesellschaft in einer Zeit, die aus den Fugen war.

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Dirk Kurbjuweit, "Haarmann - Ein Kriminalroman", Pinguin

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