Gedanken für den Tag

"Die Weisheit der indianischen Völker Kolumbiens" von Werner Hörtner

Werner Hörtner ist Redakteur bei der entwicklungspolitischen Zeitschrift "Südwind".


Die Beziehung zur Umwelt

Indianische Völker in aller Welt zeichnen sich durch eine besonders unmittelbare und lebendige Beziehung zu ihrer Umwelt aus - solange sie noch in einem einigermaßen intakten Siedlungsraum leben können. Die Zerstörung dieser Umwelt durch das Eindringen der westlichen "Zivilisation" - Zivilisation unter Anführungszeichen - gefährdet ihre psychische Gesundheit und ihr physisches Überleben.
 
Die Völker der Arhuacos und der Kogi, die im Norden Kolumbiens im Gebirgsmassiv der Sierra Nevada de Santa Marta leben, haben zumindest in einem Teil ihres früheren Wohngebietes einen geschützten Lebensraum erhalten können. Sie leben dort in einer Art Reservat mit Selbstverwaltung und ihren eigenen Gesetzen.
 
Alle Erscheinungsformen der Natur - ob ein Stein, ein Grashalm, ein Baum oder ein Lebewesen - sind, ihrer Erfahrung nach, von einer göttlichen Energie beseelt, die sie Aluna nennen.
 
Die Menschen sind Erde und gehören zur Erde, erklärt Bunchanawin, ein Mamo, der von seinem Vater ein besonders Wissen über Heilpflanzen vererbt bekam. Er erzählt mir, dass bei allen wichtigen Ereignissen des Lebens der Erde Tribut gezollt wird, um ihr damit Dankbarkeit auszudrücken. Nach einer Geburt zum Beispiel nimmt der Mamo den Mutterkuchen und begräbt ihn im Boden. Auch die Tiere werden mit großem Respekt behandelt und entwickeln ganz andere Verhaltensweisen als etwa unsere Hunde und Katzen. Sie agieren, als würden die Menschen in ihrem Umfeld gar nicht vorhanden sein.
 
Alle Teile des Kosmos müssen im Einklang miteinander leben. Die Erde verliert ihre Kraft, weil die Menschen ihr viel Öl geraubt haben und Kohle. Der Jüngere Bruder, der Weiße, denkt sich: "Ich weiß viel über das ganze Universum." Aber aus all seinem Wissen hat er, so scheint es, nicht viel mehr gelernt, als die Welt zu zerstören. Die Erde ist ein einziger lebender Organismus, und die Mamos hören sie stöhnen.

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