Da capo: Im Gespräch

"Wer seinem Volk Angst macht, der braucht es - für eine gewisse Zeit jedenfalls - nicht zu fürchten". Michael Kerbler im Gespräch mit Heribert Prantl, Jurist, ehem. Richter und Staatsanwalt, jetzt Leiter des Ressorts Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung"

Heribert Prantl, ehemaliger Richter und Staatsanwalt, redet nicht lange um den heißen Brei herum: "Unter dem Vorwand, sich schützen zu wollen, wirft sich der Rechtsstaat dem Monstrum Terrorismus zum Frass vor." Den ersten fatalen Irrtum, mit einem Weniger an Freiheit ein Mehr an Sicherheit einkaufen zu können, begehen vor allem jene, die den sogenannten ersten Hauptsatz der Sicherheitspolitik widerspruchslos abnicken. Und dieser erste Hauptsatz der Sicherheitspolitik lautet: "Wer nichts zu verbergen hat, der hat nichts zu befürchten".

Prantl klagt, dass seit dem 11. September 2001 die Politiker der westlichen Welt konsequent den Rechtsstaat in einen Präventionsstaat umbauen: "Das Recht wird verdünnt, um so angeblich besser mit den globalen Risiken fertig zu werden. Die Beruhigungsformel dabei lautet, wie gesagt: Wer nichts zu verbergen hat, der hat nichts zu befürchten - allenfalls, dass er, sein Telefon oder sein Konto ab und zu heimlich und 'verdachtsunabhängig' kontrolliert wird, wenn der Mensch nicht so ausschaut oder sich nicht so verhält, wie ein Polizist, ein Grenz- oder Verfassungsschützer sich einen braven Bürger vorstellt. Aber solche Kontrollen müsse man, so meinen die Politiker, im Interesse von mehr innerer Sicherheit in Kauf nehmen."

Wie stark ist unser Rechtsstaat binnen zehn Jahren erodiert? Was wäre im Februar 2001 noch undenkbar gewesen, was im Februar 2011 bereits Gang und Gäbe ist? Und wie können und müssen verloren gegangene Freiheits- und Menschenrechte wieder hergestellt werden? Wie der "Dämon der Angst" abgeschüttelt werden, damit wieder dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Rechtsmittel Geltung verschafft werden kann? Und somit auch nicht mehr "Der Terrorist als Gesetzgeber" agieren kann. Denn sonst bewahrheitet sich das Wort Benjamin Franklins, dem Koautor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der meinte: "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren."

Service

Heribert Prantl, "Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht", Droemer

Giorgio Agamben, "Ausnahmezustand", Suhrkamp

H.D. Thoreau, "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat und andere Essays", Diogenes

Ilija Trojanow, Juli Zeh, "Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte", Carl Hanser

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