Gedanken für den Tag

von Manuel Rubey. "Mein Papa kann in der Arbeit schlafen" - Geschichten vom Vater-Sein

Manuel Rubey ist Schauspieler.

Plötzlich ist alles anders: Sorgen, die man vorher nicht hatte. Glücksgefühle, die man vorher nicht kannte. Vater zu werden verändert das Leben, rückt vieles in ein neues Licht. Kinder zu haben, macht es ziemlich unmöglich, sich mit der Welt abzufinden, wie sie eben ist, weil plötzlich nicht nur die eigene Zukunft auf dem Spiel steht. Kinder drücken auch dem Alltag ihren Stempel auf, weil sich das wahre Leben auf einmal zwischen Kindergarten, Spielplatz und Gute-Nacht-Geschichte abspielt - auch wenn Papa ein erfolgreicher Schauspieler ist. Und zur Not kann er ja (während der Drehpause) "in der Arbeit schlafen", wie Manuel Rubeys ältere Tochter einmal im Kindergarten erklärte. Gedanken für den Tag in der Woche vor dem 12. Juni, dem sogenannten Vater-Tag.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

"Es ist als ob ich Mitglied in einem Club geworden wäre, von dem ich nicht einmal wusste, dass er überhaupt existiert", hat der amerikanische Schauspieler und vierfache Vater Matt Damon einmal gesagt.

Mir ging es ähnlich. Nichts in meinem Leben hat mich so unerwartet getroffen, wie die Tatsache, Vater zu werden. Ich meine damit gar nicht die Situation, als ich diese damals noch recht abstrakte Nachricht bekommen habe, als mir meine Freundin sagte, dass sie schwanger ist. Nein, ich spreche von dem Umstand, dass sprichwörtlich kein Stein auf dem anderen bleibt, wenn das Kind dann da ist. Obwohl ich ja eine ganze Schwangerschaft lang Zeit hatte zu sehen, wie der Bauch, und also das Kind wächst, war ich auf die Veränderungen, die Ronjas Geburt dann mit sich brachte, nicht vorbereitet. Den Egoismus gilt es plötzlich an der Türschwelle abzugeben und der Faktor Zeit erfährt eine völlig neue Dimension.

Ich war damals 27 und in unserem Freundes- und Bekanntenkreis wurden das Jahrzehnt zwischen 20 und 30 hauptsächlich damit verbracht, die eigene Nabelschau zu betreiben. Soll heißen: Man ging aus, studierte schon auch, aber in erster Linie war man damit beschäftigt rauszufinden, was man will von diesem Leben. Ich nehme mich da gar nicht aus. Doch von einem Tag auf den anderen war das plötzlich alles anders und interessanterweise auch nicht mehr so wichtig. Die Zeit für einen selber war über Nacht auf ein Minimum geschmolzen. Anfangs hatten wir noch gedacht, dass wir den versäumten Schlaf dann bald wieder aufholen. Was waren wir naiv. Ich bin auch immer bass erstaunt, wenn mir Menschen im Beruf erklären, sie fahren jetzt heim zur Familie und freuen sich auf Erholung und Entspannung. Wie machen die das? Es ist wunderschön, nach Hause zu kommen. Aber Erholung? Mit Kindern? Vielleicht in 18 Jahren dann, wenn die Mädchen mit der Schule fertig (und wie man so sagt, aus dem Gröbsten raus) sind.

Vielleicht können wir ja dann die eigene Nabelschau wieder aufnehmen. Diese übertriebene Selbstbeschäftigung, die zwischen 20 und 30 "Sinnsuche" heißt, nennt sich dann wohl "Midlifecrisis". Unsere Kinder stoßen mich tagtäglich - manchmal durchaus unsanft - darauf, dass es im Leben mehr gibt, als mich selbst. Was bin ich froh, dass sie da sind.

Service

Manuel Rubey

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 110607 Gedanken für den Tag / Manuel Rubey
Länge: 03:49 min

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