Gedanken für den Tag

Von Walter Methlagl. "Die Überwindung der Ich-Einsamkeit" - Gedanken zum 130. Geburtstag des Philosophen Ferdinand Ebner. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Der österreichische Denker Ferdinand Ebner zeigt in seinen philosophischen Werken verschiedene Formen der - wie er es nennt - "Icheinsamkeit" auf, die viele Bereiche des menschlichen Lebens umfassen kann. So kritisiert Ebner zum Beispiel ein ideologisches Verständnis von Naturwissenschaften, aber auch andere Formen einer abstrakten und daher "wortfernen Wissenschaft und Philosophie" seien im ich-einsamen "Traum vom Geiste" verfangen: Zu Ebners Zeit waren dies für ihn auch schon die sich ausweitende Industrie und Technik und das damalige Bankwesen. Aber auch sozialdemokratische und kommunistische Bewegungen, die damals ökonomische Macht-Strukturen zu brechen versuchten, träumten für Ebner diesen abstrakten "Traum" ebenso wie europäische Nationen, darunter auch die österreichische Monarchie, mit ihren politischen und militärischen Macht-Strategien, welche die Menschen zu Tausenden in die Einsamkeit von Krieg und Tod führten. 1922 warnte Ebner auch katholische Leitfiguren davor, "ihre Verbeugung zu machen vor dem Ungeist einer Wissenschaft, der ehrfurchtslos dem Geist des Wortes gegenübersteht (...)".

Ebner verblieb zeitlebens Katholik, aber er begehrte auf gegen eine Kirche, die sich weitgehend dem "Ärgernis der Repräsentation" verschreibt. Damals schon lehnte er etwa die Bemühungen um die Seligsprechung des letzten österreichischen Kaisers vehement ab und schrieb:

"Ist die auf dem Felsen des Glaubens Petri an den Sohn des lebendigen Gottes gegründete Kirche Christi, die von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden wird, identisch mit ihrer Repräsentation im Äußern und Weltlichen dieser Welt?"

Ebner rechnete also mit der Gefahr, dass auch die christlichen Kirchen, wenn sie dem Drang zu Macht und Repräsentation nachgeben, zu einem "Traum vom Geiste", also zu einer Verdunkelung werden und damit die Gläubigen in die Icheinsamkeit treiben können.

Dies alles, geschrieben vor rund 90 Jahren, klingt mir, als sei es noch gar nicht lange her.

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Titel: GFT 120202 Gedanken für den Tag / Walter Methlagl
Länge: 03:49 min

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